Frankfurter Rundschau, 18.3.2000

Kommentar: Fragen, die an den Nerv gehen

Was in der Berliner Koalition wirklich nicht gut läuft, ist die Kommunikation

Von Jochen Siemens

Um sich bei dieser Zusammenballung von Rüstungsexportfragen, die an den politischen Nerv gehen, unmittelbar vor dem Parteitag der Grünen Übles zu denken, muss man wahrlich kein Schelm sein. Auch ohne Fuchs und Leopard steht in Karlsruhe genügend Grundsätzliches auf der Tagesordnung. Dabei gilt die Grundfrage für den Atomausstieg genauso wie für die heiklen Rüstungsexporte: Wo ist die Belastungsgrenze zwischen politischer Glaubwürdigkeit und zum Pragmatismus zwingendem Regierungshandeln erreicht? Insofern sollte man sich nicht zu lange über Wadenbeißer und Schienbeintreter in der Bürokratie von Ministerien ärgern, die allzu durchschaubar vor dem Grünen-Parteitag ihrer miesen Störfreude frönen. Die Grundsatzfrage muss samt den dazugehörigen Kompromissen in jedem Fall diskutiert und geklärt werden.

Nein, was in der Berliner Koalition wirklich nicht gut läuft, ist die Kommunikation. Wenn Anfragen über Rüstungsexporte, Kompromisse über Hermes-Bürgschaften oder den Stand der Steuerabschreibung von Atomkraftwerken nicht offen besprochen werden, darf man sich nicht wundern, wenn sich Parteitagsdelegierte verschaukelt fühlen.

Die zeitliche Instrumentalisierung von Herrschaftswissen kann nur Misstrauen produzieren. Und den Eindruck, es würde - wie schon immer üblich - geschachert nach dem Motto: Die Wüstensöhne kriegen den Fuchs, die Türken dafür keinen Leopard.