Kölner Stadtanzeiger 15.03.00

Umstrittene Abschiebungen

Kurden-Aktivistin aus startbereitem Flugzeug geholt

Heftige Vorwürfe von Volker Hoffmann (Grüne) gegen Ausländeramt - Kreis: "Rechtmäßige Verfahren"

Von Johannes Puderbach

Kreis Euskirchen - Das Verhalten des Ausländeramtes des Kreises führte gestern wieder mal zu heftigen Protesten. In gleich drei Fällen - es handelte sich stets um kurdische Familien - rügte der grüne Schmidtheimer Landtagskandidat Volker Hoffmann das Vorgehen der Kreis-Behörde. Kreispressesprecher Herbert Born verteidigte dagegen das Ausländeramt.

Im ersten Fall, der bundesweit in den Medien Beachtung fand, geht es um die Familie Bag: Fatma Bag, die älteste Tochter der Familie, war nicht nur früher in der Türkei politisch aktiv, sondern machte sich vor allem einen Namen als Sprecherin des "Wanderkirchenasyls". Kurdische Flüchtlinge hatten dabei in wechselnden Kirchen Unterschlupf gesucht, um einer Abschiebung in die Türkei zu entgehen. "Solche Leute dürfen nicht in ihre Heimat abgeschoben werden, man weiß ja, was mit ihnen dort geschieht", argumentierte Hoffmann gestern. Genau das, was Hoffmann befürchtete, geschah gestern Mittag: Von Düsseldorf startete ein Flugzeug mit drei Familienmitgliedern an Bord in Richtung Türkei. Fatma Bag, die auch schon im Flugzeug saß, wurde im letzten Augenblick wieder von Bord geholt, nachdem die Landtagsfraktion der Grünen beim Innenminister interveniert hatte.

Versteck in Mechernich

Doch die drei Familienangehörigen der Kurdenaktivistin mussten ausreisen. "In der Türkei gilt die Sippenhaft", befürchtet Hoffmann nun das Schlimmste.

"Die Familie Bag hat sich seit Jahren illegal in Deutschland aufgehalten, seit Ende Februar war sie untergetaucht", berichtete Herbert Born auf Nachfrage. Nachdem man das Versteck in Mechernich ausfindig gemacht habe, sei die Familie in Abschiebehaft genommen worden. "Das Verwaltungsgericht Aachen hat die Eilanträge der Rechtsanwältin in allen Fällen abgelehnt", verwies Born auf ein rechtmäßiges Verfahren.

Die zweite Beschwerde Hoffmanns betraf Metin Bozan, der zusammen mit seinem jüngeren Bruder Zafer Anfang der 90er Jahre zu seinem älteren Bruder Mehmet nach Kall kam. Mehmet Bozan ist mittlerweile deutscher Staatsbürger und hatte auf Drängen seiner Mutter seine beiden jüngeren Brüder bei sich aufgenommen. "Ihr Vater war nach Misshandlungen durch die türkische Polizei gestorben", erklärte Hoffmann die Flucht der Brüder nach Deutschland. Da Metin mittlerweile volljährig sei, werde er in Deutschland nicht mehr geduldet und soll in die Türkei abgeschoben werden. Deshalb ist der 18-Jährige untergetaucht.

In seinem Fall wurde der Petitionsausschuss des Landtages angerufen. "Die Verhandlung war am Montag um 14 Uhr in Düsseldorf angesetzt, doch der Vertreter des Ausländeramtes kam nicht", schimpfte Hoffmann. "Wir wurden erst am Freitag telefonisch vorab von der Sitzung informiert, die schriftliche Einladung per Fax traf erst am Montagvormittag ein", erklärte Pressesprecher Born.

Rettungswagen alarmiert

Diese Einladung sei folglich "etwas kurzfristig" gewesen. Eine neue Verhandlung sei nun für den 23. März angesetzt, diesen Termin werde der Kreis selbstverständlich wahrnehmen.

Ein Vorfall in den Räumen des Ausländeramtes führte zur dritten Beschwerde Hoffmanns: "Die psychisch kranke Familienmutter Selvi Akgöz ist aufgrund der Attacke eines Beamten zusammengebrochen und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden", erhob Hoffmann heftige Vorwürfe. Der Kreispressesprecher bestätigte zwar, dass ein Rettungswagen alarmiert wurde, um der Kurdin zu helfen. Zu der Ursache des Zusammenbruchs wollte er hingegen keine näheren Angaben machen und verwies auf die Aufregung, die oft aufgrund von Sprachproblemen entstehe.

Hintergrund in diesem Fall ist die psychische Erkrankung der Kurdin, die mit ihrer Familie in Frauenkron bei Dahlem lebt. Das Ausländeramt erteilte ihr die Auflage, sich einer Therapie zu unterziehen. "Solange diese Behandlung nicht abgeschlossen ist, genießt sie Abschiebeschutz", erklärte Born. Nach Angaben von Hoffmann fand die Kurdin bisher trotz intensiver Bemühungen noch keinen Therapieplatz. Born vermutet hingegen hinter dieser Aussage eine "Schutzbehauptung": "Es kann nicht sein, dass es in Deutschland keinen Platz für eine Therapie gibt", erklärte er: "Frau Akgöz müsste auch selbst einmal aktiv werden."