AP, 13.03.2000 12:10

Debatte über Einwanderungsgesetz neu entbrannt

Frankfurt/Main (AP)

Die Debatte über ein Einwanderungsgesetz ist mit der Initiative von Bundeskanzler Gerhard Schröder, ausländische Computerexperten nach Deutschland zu holen, neu entbrannt. Dabei scheint sich in der Union ein Sinneswandel anzubahnen. Der für Innen- und Rechtspolitik zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach sagte: «Wenn die Bundesregierung ein Einwanderungsgesetz vorschlägt, kann ich meiner Partei nur raten, sich der Diskussion nicht zu verweigern.» Bosbach warb in der «Rheinischen Post» (Montagausgabe) für eine Gesamtlösung, in die auch die Gestaltung des Asylrechts einbezogen werden solle. Er denke, dass die Asylregelungen des Grundgesetzes zu Gunsten einer institutionellen Garantie geändert werden sollten. «Wir sollten postulieren: 'Deutschland gewährt Asyl - Näheres regelt ein Bundesgesetz.' Und ein solches Bundesgesetz könnte ein Einwanderungsgesetz sein.» Die FDP sprach sich für ein klares Einwanderungskontrollgesetz aus. Generalsekretär Guido Westerwelle sagte vor einer Sitzung in der Berliner Parteizentrale, bei der die Liberalen ein Strategiepapier erörtern wollten, nur in einem solchen Zusammenhang mache die Arbeitserlaubnis nach einem System der Green Card Sinn. Auch wenn sofort mit der Ausbildung von Computerfachleuten begonnen würde, könnten die Versäumnisse der Vergangenheit nicht aufgeholt werden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält mittelfristig die Diskussion über ein Einwanderungsgesetz, das sich an den Bedingungen des Arbeitsmarktes orientiere, für sinnvoll. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer sagte im Südwestrundfunk, dies dürfe aber nicht deshalb passieren, «weil jetzt ein paar Industrielle schreien, dass sie ihren Fachkräftebedarf nicht gedeckt kriegen, weil sie vorher nicht ausgebildet haben». Bevor aber Arbeitskräfte aus dem außereuropäischen Ausland rekrutiert würden, müsse geprüft werden, ob nicht ein Teil der offenen Stellen mit inländischen Arbeitskräften besetzt werden könnten, sagte Engelen-Kefer. Derzeit seien bei den Arbeitsämtern 37.000 arbeitslose EDV-Spezialisten und 56.000 arbeitslose Ingenieure gemeldet. Zudem müsse auch das Angebot auf dem europäischen Arbeitsmarkt überprüft werden. Wenn es dann aber einen unabweisbaren Bedarf an IT-Spezialisten gebe, so hätten auch die Gewerkschaften nichts gegen befristete Arbeitsvisa. Bulmahn: Bis 100.000 Experten fehlen Nach Angaben von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn fehlen in der Computerbranche derzeit rund 75.000 bis 100.000 Fachkräfte. In den kommenden Jahren kämen weitere 60.000 hinzu, sagte die SPD-Politikerin im ARD-Morgenmagazin. Mit Verweis darauf warb sie erneut für die Green-Card-Initiative der Bundesregierung. Wenn Deutschland den derzeitigen Boom der Informationstechnologie nicht verschlafen wolle, müssten Spitzenkräfte aus dem Ausland geholt werden. Der nordrhein-westfälische CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers wies unterdessen die Kritik Schröders an seiner Kampagne «Kinder statt Inder» zurück. Er finde es unmoralisch, wenn Industrieländer wie Deutschland den Entwicklungsländern gut ausgebildete Leute wegkauften, sagte Rüttgers in Berlin. Stattdessen müsse Deutschland eigene Computer-Experten ausbilden.