Stuttgarter Zeitung, 14.3.2000

Politische Gewalt nimmt zu

Otto Schily: Bürger sollen für die Demokratie eintreten

BERLIN (AP/dpa). Die Zahl der politisch motivierten Straftaten in Deutschland ist weiter rückläufig. Allerdings wurde im vergangenen Jahr mehr politische Gewalt als im Jahr zuvor registriert.

1999 wurden insgesamt 15628 Fälle von politisch motivierten Straftaten registriert. Das entsprach einem Rückgang von 5,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Nach dem Bericht des Ministeriums standen dabei Straftaten des rechtsextremistischen Spektrums mit 6937 Fällen an der Spitze. Hinzu kamen unter anderem 2283 Delikte mit fremdenfeindlichem und 817 Delikte mit antisemitischem Hintergrund. Außerdem wurden 3055 Fälle linksextremistischer Gewalt bekannt.

¸¸Für eine erfolgreiche Bekämpfung des Extremismus bleibt die intensive geistig-politische Auseinandersetzung mit seinen Ursachen unerlässlich'', betonte Innenminister Schily. ¸¸Sie hat grundsätzlich Vorrang vor repressiven Maßnahmen.'' Als Besorgnis erregend bezeichnete Otto Schily die Zunahme der Gewaltdelikte. Die Fälle von Tötung, Körperverletzung, Landfriedensbruch, Brand- und Sprengstoffdelikten, Freiheitsberaubung, Raub und Erpressung stiegen um 7,3 Prozent auf 1708. Sprunghaft erhöhte sich die politisch motivierte Ausländerkriminalität. Den Zuwachs um 51,5 Prozent auf 391 Fälle führte das Ministerium auf die Ausschreitungen gewalttätiger Aktivisten der ¸¸Arbeiterpartei Kurdistans'' (PKK) zurück, die es auch in anderen europäischen Staaten gegeben habe.

¸¸Deshalb ist dies nicht allein ein nationales, sondern ein internationales Problem'', sagte der SPD-Politiker. Ferner müssten Polizei und Justiz ihre Anstrengungen verstärken, um die gegenwärtige Aufklärungsquote von 40, 3 Prozent im Bereich der politischen Ausländerkriminalität weiter zu erhöhen. Nicht nur staatliche Stellen, sondern auch die Bürger müssten für die demokratische Grundordnung eintreten.