Frankfurter Rundschau 14.3.2000

PKK wirbt mit neuen Tönen

Im Gespräch: Lösung "Friedensprojekt"

Von Edgar Auth (Amsterdam)

Das Wort Kurdistan hat die verbotene PKK weitgehend aus ihrem Wortschatz gestrichen. Das Wörtchen kurdisch spielt gleichwohl in ihrem jetzt vorgestellten "Friedensprojekt" eine zentrale Rolle. Denn ohne die Lösung der kurdischen Frage könne die Türkei weder ökonomisch noch politisch erstarken, sagte PKK-Präsidiumsmitglied Murat Karayilan in Amsterdam. Ihre Waffen wollen die verbliebenen 7000 bis 8000 Guerilleros aber erst abgeben, wenn der Friedensprozess in Gang kommt. Auf ihrem 7. Parteikongress hat die einst als dogmatisch geltende Guerillapartei den bewaffneten Kampf als historische Phase abgehakt. Zeitgemäß seien Entwicklungen wie in Irland, Palästina oder Osttimor. Die neuen PKK-Pressematerialien schlagen auch ganz den Ton des Börsenzeitalters an. "Frieden, entwickelt auf der Basis einer demokratischen Lösung der kurdischen Frage in der Türkei, wird der Türkei und dem mittleren Osten Stabilität bringen, die zu wichtigen Gewinnen in allen Bereichen führt", heißt es da in gutem Business-Englisch. Und den Schlüssel zu allem halten PKK und Kurden in den Händen, ist sich Karayilan sicher. Werde dies aber nicht akzeptiert, "wird es zu Ausschreitungen kommen". Aber klingt das nicht wie eine Drohung, ganz wie die alte PKK? Nein, sagt Karayilan und erläutert erst einmal die Eckpunkte des "Friedensprojekts": Keine Autonomie für die Kurden, sondern "totale Demokratie" für alle in der Türkei sei der Garant für die bessere Zukunft. Zu erreichen sei das über "Dialog und Übereinkunft", ohne die bestehenden Grenzen anzutasten. Bisher sei die Spirale aus Kurden-Unterdrückung und Widerstand die Ursache für Instabilität und wirtschaftliche Krise. Künftig könnten die Kurden eine Brücke zu "universellen menschlichen Werten" schlagen, doziert der ehemalige Guerillakommandeur. "Wir möchten, dass die Identität der Kurden gesetzlich anerkannt wird", wozu das Recht auf die eigene Sprache und Kultur gehöre. Den im Kurdenkrieg Vertriebenen müsse die Rückkehr in die Dörfer ermöglicht, der Ausnahmezustand in Kurdenprovinzen aufgehoben werden. Dieses Lösungspaket nutze Kurden und Türken zugleich. Karayilan nennt es "sehr bescheiden und machbar", anderenfalls aber drohten "Ausweglosigkeit und Ausschreitungen", wiederholt er. Die türkische Regierung aber denkt nicht daran, auf die Vorschläge einzugehen. Für Ankara sind die Kurden militärisch fast besiegt und durch die Festnahme des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan politisch enthauptet. Karayilan antwortet auf den Einwand: "Wir sagen ja nicht, wir müssten als Gesprächspartner angenommen werden oder alles muss unter unserer Kontrolle laufen." Doch möge man sich auch nicht täuschen. Zwar habe die PKK ihren militärischen Arm, die ARGK zu passiven "Volksverteidigungskräften" umstrukturiert, die in den Bergen der Nachbarländer warteten. Militärisch geschwächt sei sie aber nicht. Nur eine Gruppe verweigere bislang den Rückzugsbefehl. Einige wenige andere hätten sich noch nicht zurückziehen können, weil ihnen türkische Truppen den Weg verstellten. Um die Guerilla aus den Bergen zu holen müsse Ankara seine Operationen beenden und eine Amnestie gewähren. Generell sei es auf dem Weg zur Demokratisierung nötig, die "türkische Mentalität" zu ändern, glaubt Karayilan. Dazu will die PKK Beziehungen zu den demokratischen Kräften in der Türkei aufbauen. Eine wichtige Rolle misst sie aber auch der EU und den USA zu. Denn nur eine demokratische Türkei könne sich wirtschaftlich entwickeln und in die EU aufgenommen werden. Und für die USA könne die Türkei nur als beispielhafte Demokratie mit Ausstrahlungskraft für den Mittleren Osten das strategisch gewünschte Trittbrett in die ölreiche Kaukasusregion bilden. Folglich müssten diese Partner helfen, das Land am Bosporus auf Versöhnungskurs zu bringen.