Frankfurter Rundschau, 10.3.2000

EU-Erweiterung: Verheugen mahnt Reformen in der Türkei an

öhl ATHEN, 9. März. Die EU erwartet von der Türkei ein klares Bekenntnis zu politischen Reformen. Das betonte der für die Erweiterung der Union zuständige Kommissar Günter Verheugen am Donnerstag in Istanbul. Bei einer Veranstaltung der Istanbuler Universität zur EU-Erweiterung sagte Verheugen, in der Türkei müsse es einen "fundamentalen politischen Wandel" geben, wenn sich das Land der EU annähern wolle. Im Einzelnen nannte der EU-Kommissar die anstehende Reform des Strafrechts und der Zivilgesetze sowie die Unabhängigkeit der Justiz. Verheugen unterstrich auch, dass die Türkei hinsichtlich der Demokratisierung, der Menschenrechte und im Umgang mit Minderheiten bisher nicht die Kopenhagen-Kriterien erfülle. Er räumte aber ein, dass es in der Türkei den Willen gebe, diese kritischen Themen anzugehen.

Der türkische Justizminister Hikmet Samit Türk wies in einem Rundschreiben die Staatsanwälte des Landes an, noch härter gegen Medien vozugehen, die den "Separatismus" unterstützen. Dieser Tatbestand ist nach zahlreichen Gerichtsurteilen gegen Journalisten bereits erfüllt, wenn man von der Existenz eines "kurdischen Volkes" schreibt oder wenn sich Kommentatoren für eine friedliche Lösung des Kurdenproblems aussprechen.