Frankfurter Rundschau, 10.3.2000

Bundesgerichtshof

Schweigerecht von Angeklagten gestärkt

KARLSRUHE, 9. März (ap). Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat in einem Grundsatzurteil das umfassende Schweigerecht von Ärzten in Strafprozessen betont. Entbindet ein Angeklagter einen Arzt nicht von der Schweigepflicht, darf ihm das nach dem am Donnerstag veröffentlichten Urteil nicht als belastendes Indiz angelastet werden. Im konkreten Fall war ein Kurde, der der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) angehören soll, wegen Nötigung und vorsätzlicher Körperverletzung vom Landgericht Dortmund zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. In dem Verfahren war umstritten, ob es sich bei dem Angeklagten tatsächlich um jenen Mann handelte, der Landsleute in Deutschland wegen politisch abtrünnigen Verhaltens bedroht und geschlagen hatte. Zur Klärung der Identität wollten die Richter einen Arzt vernehmen, bei dem der Täter Patient war. Der Angeklagte, der die Aussage verweigerte, entband den Arzt nicht von seiner Schweigepflicht. Das Landgericht folgerte daraus, dass der Angeklagte von dem Arzt behandelt wurde, denn nur als Patient habe er das Recht, ihn nicht von seiner Schweigepflicht zu entbinden.

Diese Schlussfolgerung war rechtsfehlerhaft, wie das Gericht urteilte. Damit werde das Recht eines Angeklagten unterlaufen, zu schweigen. Im Übrigen habe die Kammer auch das Schweigerecht des Arztes zu eng ausgelegt. Stehe in Frage, ob ein Angeklagter bei einem Arzt in Behandlung war, habe dieser unabhängig davon ein Zeugnisverweigerungsrecht, ob er den Patienten tatsächlich behandelt habe oder nicht. (Az.: 3 StR 401/99)