Frankfurter Rundschau, 8.3.2000

Deutschland reicht Iran die Hand

Außenminister Fischer geht bei seinem Besuch in Teheran auf Normalisierungskurs

Deutschland will seine Beziehungen zu Iran normalisieren und ausbauen. Das hat Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) am Dienstag in Teheran erklärt. Dort sprach er mit Politikern und hörte auch den Vertreter einer Demonstrantengruppe an, die Deutschland vorwarf, Irak im ersten Golf-Krieg (1980 bis 1988) mit Waffen versorgt zu haben.

TEHERAN, 7. März (rtr/tah/afp). Deutschland und Iran wollen nach mehreren Jahren der Eiszeit einen Neuanfang in ihren Beziehungen. Bundesaußenminister Fischer und sein iranischer Kollege Kamal Kharazi erklärten nach mehreren Treffen in Teheran am Dienstag, beide Länder wollten einen klaren Strich unter die Vergangenheit ziehen. Von deutscher Seite gebe es keine Hürden für eine Verbesserung der Beziehungen, sagte Fischer, der als erster deutscher Außenminister seit 1992 Iran besuchte. Iran sei ein bedeutender Partner für Deutschland und Europa. Fischer erklärte, er habe bei seinem dreitägigen Besuch die Lage der Menschenrechte in Iran angesprochen. Auch sei über die Todesstrafe sowie die Verfolgung der politischen und religiösen Minderheiten geredet worden.

"Die iranischen Partner sind alles andere als einfach, viele Hürden müssen hier überwunden werden", sagte Fischer. Die Beziehung zwischen den beiden Ländern sei ein zartes Pflänzchen "mit Realismus und Pragmatismus muss man sie gedeihen lassen". Der Bundesaußenminister wurde auch von Präsident Mohammad Khatami empfangen, der im Frühsommer Deutschland besuchen will.

Das Verhältnis Deutschlands zu Iran war unter anderem durch die Mykonos-Affäre und die Inhaftierung des Deutschen Helmut Hofer in Teheran jahrelang stark belastet. Das Auswärtige Amt hatte die Reise Fischers vorab als "Sondierungsmission auf schwierigstem Terrain" bezeichnet. Iranische Journalisten, meistens von rechten Zeitungen, fragten Fischer vor allem nach dem Mykonos-Prozess. Der Bundesaußenminister verwies auf die Gewaltenteilung in Deutschland.

Der Zeitpunkt für die Reise war günstig gewählt. Nach dem überwältigenden Sieg der Reformer bei den Parlamentswahlen herrscht in der Islamischen Republik ein offenes politisches Klima, in dem auch heikle Fragen erörtert werden können, ohne die iranischen Gastgeber vor den Kopf zu stoßen.

Vor der deutschen Botschaft in Teheran warfen rund 400 Kriegsveteranen der Bundesrepublik vor, im irakisch-iranischen Krieg Irak mit Chemie-Waffen versorgt zu haben. Der Protest endete friedlich, nachdem Außenminister Kharazi ein Gespräch Fischers mit einem Vertreter der Demonstranten zugesagt hatte.

Die größte iranische Oppositionsgruppe wies anlässlich des Fischer-Besuchs auf eine Verschlechterung der Menschenrechtslage in Iran hin. "Öffentliche Hinrichtungen und Steinigungen haben in den vergangenen Jahren zugenommen", sagte Alireza Jafarzadeh vom Nationalen Widerstandsrat Iran in Berlin. Unter dem als gemäßigt geltenden Präsidenten Khatami habe es in 30 Monaten mehr als 600 öffentlich angekündigte Hinrichtungen gegeben. Zudem seien im Ausland 41 Dissidenten ermordet worden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International konnte diese Zahlen nicht bestätigen. Die Menschenrechtssituation habe sich jedoch während der Präsidentschaft Khatamis nicht verbessert.