Frankfurter Rundschau, 8.3.2000

Ankara wies Angebot der PKK umgehend ab

Türkische Regierung ließ Brief mit kurdischer Friedensofferte ungeöffnet an den Absender zurückgehen

Von Martin Winter

Der Versuch der kurdischen Arbeiterpartei PKK, via Europa Bewegung in die verhärteten türkischen Fronten zu bringen, ist vorerst gescheitert.

BRÜSSEL, 7. März. Der türkische Premier Bülent Ecevit und Staatspräsident Süleyman Demirel haben die Annahme politischer Post verweigert, in der die PKK detailliert ein "Friedensprojekt" für die Türkei skizziert. Der nun ungeöffnet in die EU-Hauptstadt Brüssel zurückgesandte Brief war Anfang März über den türkischen EU-Botschafter nach Ankara gelangt. Dem Diplomaten waren sie von dem deutschen Abgeordneten im Europaparlament, Ozan Ceyhun (Die Grünen), übergeben worden, an den sich wiederum zuvor Zübeyir Aydar mit der Bitte um Vermittlung gewandt hatte. Aydar ist Präsident des Exekutivausschusses des kurdischen Exilparlaments, eine Art legaler Arm der bewaffneten PKK. Dem Anliegen Aydars entsprach der türkischstämmige Ceyhun deswegen, "weil man alles versuchen muss, was zu einer friedlichen Lösung in der Türkei beitragen kann". Den Briefen an Ecevit und Demirel war nach Informationen der FR ein Beschluss des "siebten außerordentlichen Parteitages der PKK" vom 20. Februar 2000 beigefügt. Dieser Beschluss, der der FR vorliegt und von dem in den vergangenen Wochen bereits einzelne Elemente bekannt wurden, trägt den Titel "Friedensprojekt". Dieses Papier wurde nach Angaben seiner Überbringer im Februar an einem geheimgehaltenen Ort beschlossen.

Es wird vermutet, dass der PKK-Kongress im Nahen Osten, möglicherweise im Norden Iraks stattfand. Im grundsätzlichen Teil des Beschlusses heißt es, der Türkei sei es weder gelungen, die "PKK zu eliminieren noch das kurdische Problem zu beseitigen". Umgekehrt habe es aber auch die PKK nicht geschafft, "die kurdische Frage einer vollständigen Lösung näherzubringen".

Aus dieser Erkenntnis folgert die PKK, dass der Ausweg nur in Verhandlungen liegen könne und nimmt dafür ausdrücklich Abstand von ihrem bisherigen Ziel der Eigenstaatlichkeit. "Eine totale Trennung von der Türkei wird nicht erwogen", heißt es.

Die PKK lockt mit der Aussicht, dass eine friedliche Lösung der Kurdenfrage "Stabilität" sowohl in der Türkei als auch im Nahen Osten schaffen werde. Voraussetzungen für eine friedliche Lösung seien freilich die Demokratisierung der Türkei, rechtsstaatliche Verhältnisse, Respektierung der kulturellen und nationalen Minderheitenrechte, die Annullierung des Todesurteils gegen PKK-Chef Abdullah Öcalan, die Akzeptanz einer gewissen kurdischen Autonomie und der Wiederaufbau der zerstörten Dörfer.

Dass Ankara dieses Angebot brüsk zurückgewiesen hat, deutet darauf hin, dass die Regierung nicht daran denkt, ihre unnachgiebige Haltung gegenüber den Kurden aufzugeben. Ankara verlangt von der PKK die bedingungslose Kapitulation. Eine Forderung, auf die die bewaffnete Gruppe kaum eingehen kann, weil sie dann alles aus der Hand geben würde, was sie an den Verhandlungstisch bringen könnte. Darum heißt es unzweideutig in dem "Friedensprojekt", die PKK habe den bewaffneten Kampf zwar beendet, werde ihre Waffen aber solange in Bereitschaft halten, bis "Garantien für die Entwicklung eines dauerhaften Friedens und für die notwendigen gesetzlichen und politischen Abmachungen" vorhanden seien.