Die Welt, 7.3.2000

Teherans offene Türen

Kommentar von Dietrich Alexander

Hofer, Mykonos - Vergangenheit. Deutschland und Iran befinden sich nach Jahren der Eiszeit wieder an der Startlinie. Zu lange schon liegt das Verhältnis zu einem der wichtigsten Länder im Nahen und Mittleren Osten brach. Genscher war der letzte Außenminister, der den Iran besucht hat. Das war 1991. Ein Jahr später sorgte die "Fatwa" gegen den britischen Schriftsteller Salman Rushdie, die einem Mordaufruf gleichkam, für den ersten tiefen Bruch in den Beziehungen der Europäer zu Teheran. Es folgte die Zeit des "kritischen Dialoges" von Klaus Kinkel, eine Strategie, die scheiterte.

Das Berliner Landgericht hatte die iranische Führung 1997 verantwortlich gemacht für den Mordanschlag gegen iranische Kurden im Berliner Lokal Mykonos. "Staatsterrorismus" heißt so etwas, auch wenn es offiziell nie so genannt wurde. Teheran reagierte ungehalten, brach die Beziehungen ab und instrumentalisierte das "Mykonos-Urteil", um gegen Europa im allgemeinen und Deutschland im besonderen Stimmung zu machen, innenpolitisch Punkte zu sammeln. Im gleichen Jahr offenbarte sich die Gelegenheit für Teheran, Rache für Mykonos zu nehmen: Der Hamburger Geschäftsmann Helmut Hofer geriet zwischen die Fronten, sein Fall ließ die Beziehungen zu Iran auf einen Tiefstpunkt sinken. Im Januar schließlich endete das würdelose Gerangel, Hofer konnte nach Deutschland zurückkehren.

Nachdem die iranischen Reformer nun gestärkt aus den Parlamentswahlen hervorgegangen sind, braucht das Land dringend Kontakte. Außenminister Joschka Fischer ist mit seiner zweitägigen Visite einen wichtigen und richtigen Schritt gegangen. Er ist ohnehin spät dran: Franzosen und Italiener waren schon vor ihm da. Frankreich und Italien investieren in großem Stil in die iranische Ölindustrie. Gerade Deutschland ist Chatami wichtig, denn er weiß um das politische wie wirtschaftliche Gewicht der Deutschen innerhalb der Europäischen Union. Ein enges Verhältnis zu den mächtigsten Ländern Europas kann ihn auch seinem Fernziel näherbringen: der Aussöhnung mit den USA.

Chatami will dem Erfolg an der Wahlurne nun schnell den wirtschaftlichen und außenpolitischen folgen lassen, damit sein reformhungriges Volk nicht die Geduld verliert. Deutschland sollte dem Iran im neuen Gewande eine Chance geben. Jedes positive Signal an Chatami schwächt die Konservativen, die für einen anderen, einen überholten Iran stehen. Der Wandlungsprozess im Iran macht Hoffnung, womöglich wächst dort ein Stabilitätsfaktor für die gesamte Region. Deutschland darf da nicht abseits stehen.