taz, 6.3.2000 Seite 15

Jedem sein Sender

KurdSat bricht das Meinungsmonopol der anderen kurdischen Partei-Programme. Der Pluralismus bleibt aber weiterhin auf der Strecke

von INGA ROGG

Was im wirklichen Leben nicht gelingen konnte, sollte zumindest in der alle Staatsgrenzen ignorierenden Welt des Satellitenfernsehens wahr werden: die Bildung der einen kurdischen Nation. Der kurdische Sender Med.TV, jahrelang als einziger in Nahost und Europa zu empfangen, werde die politischen und kulturellen Gräben zwischen den verschiedenen kurdischen Interessengruppen überwinden, lautete die Hoffnung.

Doch das Orakel der Soziologen hat sich nicht erfüllt. In den letzten Jahren haben alle politischen Fraktionen in Kurdistan erhebliche Mengen an Energie und Geld investiert, um den Anschluss an das Medienzeitalter nicht zu verpassen.

Unterricht per Satellit

Pünktlich zum Jahrtausendwechsel ging am 1. Januar mit KurdSat der vierte kurdische Satellitenkanal auf Sendung. Betreiberin ist die Patriotische Union Kurdistans (PUK), die sich damit als zweite irakisch-kurdische Regierungspartei einen Platz im global village gesichert hat. Die Demokratische Partei Kurdistans (KDP) hatte den Sprung schon ein Jahr zuvor geschafft.

KurdSat ist täglich in den Abendstunden zwischen 21 und 24 Uhr MEZ über Eutelsat im Nahen Osten und in Europa zu empfangen. Neben Formaten zu Politik, Kultur und Unterhaltung hat der in Suleimaniya ansässige Sender spezielle Unterrichtsprogramme für Kinder geplant. Das dürfte ihn besonders für die in den letzten sechs Jahren stark gewachsenen irakisch-kurdischen Communiys in West- und Nordeuropa attraktiv machen.

Gerade in Deutschland, wo im Gegensatz zu Österreich etwa an keiner Schule Kurdischunterricht angeboten wird, empfinden es viele Eltern als Manko, dass ihre Kinder die Muttersprache nicht mehr ordentlich erlernen. Denn anders als in der Türkei war muttersprachlicher Unterricht für die KurdInnen im Irak trotz politischer Verfolgung immer eine Selbstverständlichkeit.

Insbesondere die Hardliner in der Türkei sollten also gewarnt sein - nationale Sprachverbote haben ihr Haltbarkeitsdatum erreicht. Falls KurdSat, wie angekündigt, demnächst neben Sorani-Kurdisch auch Unterricht in dem von den meisten KurdInnen in der Türkei gesprochenen Kurmanji-Kurdisch ins Programm nimmt, ist es mit dem Sprachmonopol Ankaras endgültig vorbei.

Eines hat KurdSat freilich jetzt schon geschafft - das Meinungsmonopol der bisherigen Sender ist gebrochen. Obwohl Medya.TV, der im Sommer 1999 die Nachfolge von Med.TV antrat, und Kurdistan.TV gut gemachte Programme zu sozialen und kulturellen Themen anbieten, sind sie nicht frei von einseitiger Berichterstattung. Die Nachrichtensendungen leiden oft an der politischen Einseitigkeit ihrer MacherInnen: Während die ZuschauerInnen von Medya.TV ausufernde Statements der PKK-Führung in Kauf nehmen müssen, mutet ihnen Kurdistan.TV die Sicht durch die Brille der KDP zu.

Der Konflikt zwischen den beiden Parteien hat auch in den Redaktionen Tribut gefordert, zumal die Berichterstattung zur Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mitteln geriet. Bei der Verhaftung von PKK-Chef Abdullah Öcalan musste sich Kurdistan.TV sogar den Vorwurf gefallen lassen, Sprachrohr für türkische Propaganda zu sein.

Propaganda-Sprachrohr

Der vierte im Bunde, der iranische Kanal Saher, hat wegen seiner Nähe zum Teheraner Regime kaum Einfluss auf die Meinungsbildung. Dabei ist die Berichterstattung erstaunlich ausgewogen, zumindest solange es um die iranischen KurdInnen geht.

Vor allem in den Exilcommunitys ist das Bedürfnis nach aktuellen Informationen aus Kurdistan unvermindert stark. Indes sind viele der gegenseitigen Anfeindungen unter den Parteien überdrüssig.

Ob KurdSat diese Lücke füllen und das Versprechen halten kann, einer wirklich freien politischen Debatte ausreichend Sendezeit einzuräumen, bleibt abzuwarten. Immerhin gehört Hero Ibrahim Ahmed, die grande dame des kurdischen Widerstands, dem Programmdirektorium an. Nach dem Sieg der Aufständischen im Frühjahr 1991 gehörte sie zu dem Kreis innerhalb der PUK, der sich für eine unabhängige Presse stark machte.

Demokratische Stimme

Mit eigenen Fernseh- und Radiokanal sowie Verlagshaus hat sie in den letzten Jahren frischen Wind in die kurdische Medienlandschaft gebracht. Zu ihren erfolgreichsten Produkten zählt das Satiremagazin Sikhurma. Hervorragend gezeichnet, nimmt Sikhurma auch die sozialen wie politischen Mißstände in der von der PUK regierten Region auf die Schippe. Selbst Jalal Talabani, PUK-Chef und Ehemann von Hero Ahmed, wurde schon Opfer der spitzen Federn. Nach Jahrzehnten der Agonie während der Saddam-Diktatur, die in den von ihr regierten Landesteilen bis auf den heutigen Tag auf die leiseste Kritik höchst allergisch reagiert, ist das keine geringe Leistung.

Die Pressefreiheit endete freilich auch bei der PUK bislang da, wo sie ihre Machtinteressen tangierte. Jüngstes Opfer ist die PKK-Wochenzeitung Welat. Als das Blatt behauptete, die PUK habe von der KDP umgerechnet rund 800.000 Mark erhalten, damit sie sich als Gegenleistung am Krieg gegen die PKK beteilige, wurde die Redaktion kurzerhand dichtgemacht. Insofern wird es sich auch die PUK in Zukunft kaum nehmen lassen, KurdSat auf Linie zu bringen. Nach der zur Zeit noch laufenden Testphase wird sich zeigen, ob er den Wunsch vieler KurdInnen nach einer demokratischen Stimme erfüllt. Sollte es den JournalistInnen nämlich nicht gelingen, genügend Distanz zu den Mächtigen zu wahren, könnte es ihnen so ergehen wie ihren KollegInnen auf dem Sikhurma-Titelblatt: statt Lob erhalten sie vom Publikum Prügel.