Frankfurter Rundschau, 4.3.2000

Fischer auf schwierigem Terrain

Im Hintergrund: Minister warnt vor hohen Erwartungen an Iran-Reise

Von Richard Meng (Berlin)

Als "Sondierung auf schwierigstem Gelände" bezeichnen deutsche Diplomaten die zweitägige Visite von Außenminister Joschka Fischer (Grüne) in Iran. Fischer bemüht sich, die Erwartungen an den Besuch am Montag und Dienstag herunterzuspielen.

Im Auswärtigen Amt wird der Ministerbesuch in Teheran einerseits als Neuanfang in den deutsch-iranischen Beziehungen nach der jahrelangen Eiszeit (Mykonos-Prozess, Fall Hofer) gesehen. Es ist der erste Besuch eines deutschen Außenministers seit dem Aufenthalt von Hans-Dietrich Genscher im Jahr 1991. Zugleich ist aber von "gravierenden Substanzproblemen" die Rede. Fischers Visite dient auch der Vorbereitung eines Berlin-Besuchs des iranischen Präsidenten Mohammad Khatami. Man will damit herausfinden, welche Chancen eine Wiederbelebung der Beziehungen überhaupt hat. Außer Khatami trifft Fischer seinen iranischen Amtskollegen Kamal Kharrasi und den Parlamentspräsidenten Ali Akbar Nategh Nuri. Fischer fliegt ohne deutsche Journalistenbegleitung, weil er das diplomatische Terrain als äußerst sensibel einschätzt und Irritationen vermeiden will. Mehr als an Wirtschaftskontakten ist Fischer an der künftigen geostrategischen Rolle Irans interessiert. Das Land mit seiner alten kulturstaatlichen Tradition gilt im Auswärtigen Amt neben der Türkei als das zweite "Scharnier" zur unruhigen eurasischen Region. Dort gebe es "weltpolitische Verwerfungsprozesse", es handele sich um die derzeit gefährlichste Region überhaupt. Der Nahost-Konflikt und die Sicherheitsfragen Israels, die auf den Islam gestützten Diktaturen, die Unabhängigkeitskämpfe im Kaukasus und die "wichtigsten Welterdölreserven" im Bereich des Kaspischen Meeres: All das führt dazu, dass die Berliner sich Iran als "Stabilitätsanker" der Region wünschen.

Engeren Beziehungen stehen aus deutscher Sicht nach wie vor die Menschenrechtslage und die Rolle Irans bei der Unterstützung anti-israelischer Milizen etwa in Libanon entgegen. Vor allem aber sorgen sich die großen Industriestaaten wegen möglicher iranischer Atomwaffenprogramme und der Entwicklung von Trägerraketen, mit denen selbst europäische Randgebiete bedroht werden könnten. Dieses Thema spielt längst auch bei der G-8-Gruppe (westliche Industriestaaten plus Russland) eine Rolle; der Westen hat versprochen, Bedrohungen Russlands vom Süden her entgegenzuwirken.

Die Deutschen sehen bisher nicht, dass sich die Lage der Menschenrechte in Iran verbessert hat. Der Spielraum des reformorientierten Khatami wird als äußerst gering eingeschätzt; man rechnet nur mit vorsichtigen Öffnungsschritten.

Es wird erwartet, dass der iranische Präsident Wirtschaftsfragen in den Mittelpunkt rückt. Teheran hätte gerne ein neues Handelsabkommen; seit 1973 gibt es keines mehr. Trotz stark rückläufiger Tendenz ist Deutschland immer noch wichtigster Lieferant Irans (Volumen: 2,8 Milliarden Mark jährlich) und zweitgrößter Abnehmer von Nicht-Öl-Produkten. Iran wünscht weitere staatlich abgesicherte Hermes-Bürgschaften, zugleich sind erhebliche Rückzahlungen aus Teheran fällig (pro Quartal 250 Millionen Mark). Hier liegt das deutsche Interesse an funktionierenden Finanzbeziehungen begründet.