HAZ, 3.3.2000

Sandsack statt Schlagstock

Eine lange Reihe von Folterfällen und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen zählt der kürzlich veröffentlichte Bericht des US-Außenministeriums zur Menschenrechtssituation in der Türkei auf. Der 61 Seiten umfassende Report attestiert der Regierung in Ankara zwar, dass sie in jüngster Zeit einige Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht habe, deren Ziel es sei, Missstände abzustellen. Weiterhin aber seien schwere Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Dazu gehören außer Folter und Misshandlungen durch die so genannten Sicherheitskräfte, auch Ermordungen und Verschwindenlassen von Bürgerrechtlern. Hinzu kommen Einschränkungen der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit, massive Behinderungen der Arbeit missliebiger Parteien und Menschenrechtsgruppen, die Vertreibung Hunderttausender Kurden aus ihren Dörfern in den Südostprovinzen und das kurdische Sprachverbot in den Massenmedien und den Schulen.
Der Report nennt die am häufigsten angewandten Foltermethoden: Die Festgenommen werden systematisch geschlagen, sie müssen sich nackt ausziehen und bekommen die Augen verbunden, sie werden mit extrem kaltem Wasser aus Hochdruckschläuchen malträtiert und mit Elektroschocks gequält. Die Falaka, das Schlagen auf die nackten Fußsohlen, Quetschungen der Genitalien, das Aufhängen an den Armen, das Einführen von Schlagstöcken oder Gewehrläufen in Vagina oder After, Verbrennungen, Scheinexekutionen, Essens- und Schlafentzug sind weitere geläufige Folterpraktiken auf den türkischen Polizeiwachen. Immer häufiger, so stellt der US-Bericht fest, werden für die Misshandlungen nicht mehr Schlagstöcke oder Fußtritte benutzt, sondern schwere Sandsäcke, die weniger sichtbare Spuren hinterlassen. Bei den fünf Zentren für die Rehabilitierung von Folteropfern, die die Türkische Menschenrechts-Stiftung betreibt, meldeten sich im vergangenen Jahr etwa 700 Menschen. Doch die Dunkelziffer ist vermutlich sehr groß.

Gerd Höhler, Hannover