Kurier (A), 2.3.2000

Tauziehen um UN-Sanktionen: Irak verweigert Kooperation

Neuer Abrüstungschef kann Arbeitsplatz nicht betreten / Clinton erwägt Embargo-Lockerung

Ein paar Wochen hatte er Zeit, um ein Team zusammenzustellen. Heute soll die Arbeit von Hans Blix, dem neuen Chef der neuen UN-Abrüstungsmission UNMOVIC im Irak, beginnen. Vielmehr sollte. Denn Bagdad zeigte bis zuletzt keine Bereitschaft, mit der UNO zusammenzuarbeiten (obwohl die Abrüstungskontroll-Mission Bestandteil des Waffenstillstandsvertrags von 1991 ist). Der formale Grund: Die letzten Dezember im UN-Sicherheitsrat verabschiedete Resolution 1284 sei "nicht praktikabel".

Der irakische Botschafter in Wien, Naji al-Hadithi, zum KURIER: "Wir dealen nicht mit dieser Resolution." Denn es sei unmöglich, sie zu implementieren - was der aus Protest gegen die westliche Sanktionspolitik zurückgetretene UN-Chef für den Irak, von Sponeck, bestätigt. Iraks Vizepremier Tarek Aziz wollte sich nicht festlegen. Man weise die Resolution nicht zurück, man fordere aber "einige Änderungen".

Bagdad will eine Aufhebung der zehn Jahre anhaltenden Sanktionen gegen das verarmte Zweistromland erreichen, während Resolution 1284 nur eine Aussetzung des Embargos für jeweils 120 Tage vorsieht. Und das auch nur bei irakischem Wohlverhalten, was bedeuten würde, dass wieder UN-Abrüstungsinspektoren das Land betreten dürfen. Die Kontrollore der früheren Mission UNSCOM hatten sich im Dezember 1998 wegen der Operation Wüstenfuchs (ein viertägiges Dauerbombardement) zurückziehen müssen.

Dass sich das Embargo horribel auswirkt, bestätigen auch UN-Berichte: Die Kindersterblichkeit verdoppelte sich, Schulen und Krankenhäuser sind massiv betroffen. Der Irak geht in Richtung Dritte-Welt-Land.

Hinter den Sanktionen stehen nur noch London und Washington. Ihre Flugzeuge greifen auch weiterhin - wie zuletzt am Dienstag - Ziele in der sogenannten "Flugverbotszone" im Norden und Süden des Landes an.

Doch auch in den USA beginnt man umzudenken. 70 Kongress-Abgeordnete verlangten von Präsident Clinton das Ende des Embargos, weil es "nur die Zivilbevölkerung getroffen" habe. Aus Clintons Büro war zu hören, man wolle die Aufstockung der Irak-Hilfe prüfen. Bisher durfte Bagdad im Programm oil for food Öl für 5,2 Milliarden Dollar pro Halbjahr fördern und damit Medikamente und Lebensmittel kaufen.

Nicht hingegen Ersatzteile. Vergangene Woche ließ Ölminister Rashid wissen, sein Land werde die Ölförderung einschränken müssen, da die Leitungen defekt seien. Eine reduzierte Ölförderung würde sich direkt auf den Weltmarktpreis auswirken - was Clintons Entscheidung möglicherweise beeinflusst.

ZUR PERSON

Er gilt als Kompromisskandidat, der sowohl dem Westen als auch Russland und China akzeptabel erschien - und als solcher wird der Ex-Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, Hans Blix, nun für die Abrüstung im Irak zuständig sein. Der 71-jährige Schwede folgt in dieser Funktion seinem Landsmann Rolf Ekeus, der der UN-Mission im Zweistromland von 1991-1997 vorstand. Blix wurde 1928 in Uppsala geboren. Nach der Matura studierte er Völkerrecht, ehe er die diplomatische Laufbahn einschlug. Zwischen Oktober 1978 und Oktober 1979 war er Außenminister, später wiederholt Mitglied der schwedischen Delegation bei der UNO.

Ein Hoch auf die Sanktionen

Zehn Jahre gibt's Sanktionen gegen das stetig schrumpfende Jugoslawien, neuneinhalb Jahre gegen den durch ein "freies Kurdistan" verknappten Irak. Nehmen jene, die offiziell gegen Grenzveränderung eintreten, die aber (teils unter Zuhilfenahme der UNO, teils an ihr vorbei) den Parias dieser Erde eisern Widerstand leisten, territoriale Zerstückelung in Kauf? Oder ist sie gewolltes Nebenprodukt der Kanonenbootpolitik?

Die wird weiter verfolgt, obwohl sie den jeweiligen Regionalpotentaten bisher nichts anhaben konnte. Sanktionen hin oder her, Saddam H. und Slobodan M. sitzen auch heute fest im Sattel. (Soweit die beruhigende "message" für einen großen Missverstandenen im heimischen Seenland).

Was Österreich noch aus dem internationalen Schlamassel, das sich Politik nennt, lernen kann? Sanktionen treffen immer den "kleinen, fleißigen Mann von der Straße". Er landet früher oder später auf derselben, zumindest wenn er einst im Tourismus oder einer anderen grenzübergreifenden Branche sein Brot verdient hat.

Immerhin aber muss Österreich nicht mit bleihältigen Argumentationshilfen von oben rechnen, vor denen sich die Serben wieder fürchten. Die Iraker nicht mehr. Sie sind's längst gewohnt. Schließlich fallen die Bomben ein, zwei Mal wöchentlich. Und niemanden stört's.

Autor: Livia Klingl