junge Welt, 2.3.2000

Ausweisung »im Namen des Volkes«

17jähriger Kurde wird aus dem Kirchenasyl abgeschoben

Auf Druck der Medien und rechter Gruppen soll am heutigen Donnerstag in Niedersachsen der Kurde Hakki Yildirim in die Türkei abgeschoben werden. Der Fall erregt besonderes Aufsehen, weil der Minderjährige Anfang Februar von einem evangelischen Pfarrer im Ort Lilienthal Kirchenasyl gewährt bekam. Die Kirche wurde jedoch am 25. Februar von einem großen Polizeiaufgebot gestürmt und der Junge noch in dem Gebäude festgenommen. Die Erstürmung der Kirche erfolgte nach Auskunft des Internationalen Menschenrechtsvereins Bremen auf Drängen des Leiters der zuständigen Ausländerbehörde, Jürgen Lodemann. Bei der Polizeiaktion in der Kirche wurden mehrere Menschen verletzt. Seither sitzt der 17jährige Kurde in Abschiebehaft in der Justizvollzugsanstalt Uelzen. Am Mittwoch schließlich wurde der Asylfolgeantrag vom niedersächsischen Innenministerium abgelehnt.

Ein Mitarbeiter des Menschenrechtsvereins wies im Gespräch mit junge Welt darauf hin, daß im Vorfeld der Festnahme eine rechte Bürgerinitiative gegen »kriminelle Ausländer« mobilisiert habe. Höhepunkt der Kampagne sei eine rassistische Unterschriftensammlung gewesen, an der sich die Lilienthaler Bevölkerung rege beteiligt habe. Demonstranten gegen diese Aktionen seien von Passanten beschimpft und tätlich angegriffen worden. Der Menschenrechtsverein beklagte, daß die lokalen Medien die rassistischen Kampagnen vorbehaltlos transportiert hätten. Dies habe anscheinend zu der Entscheidung der Ausländerbehörde beigetragen.

Kurz vor Redaktionsschluß wurde bekannt, daß dem Rechtsanwalt des Minderjährigen auf Weisung der niedersächsischen Innenbehörden jegliche Auskunft über Zeitpunkt und Ort der drohenden Abschiebung verweigert wurde. Damit, so hieß es beim Menschenrechtsverein, verstoße man gegen geltendes Recht. Aus dem niedersächsischen Innenministerium war zu dem Sachverhalt am Mittwoch keine Stellungnahme zu erhalten.

Für den Fall der Abschiebung kündigten kurdische und deutsche Beobachter an, Hakki Yildirim mit einer mehrköpfigen Delegation in die Türkei zu begleiten, um dafür Sorge zu tragen, daß der Schutz des Jungen gewährleistet wird.

(jW)

* Informationen zu dem Fall sind beim Internationalen Menschenrechtsverein Bremen zu erhalten. Tel.: 0421 / 5577093