Main Echo, 2.3.2000

Hoffnungen für Kurdenfamilie auf Minimum gesunken

Verwaltungsgericht Würzburg urteilt: Altfallregelung kommt für in Weilbach wohnende Familie Cetin nicht in Frage

Kreis Miltenberg. Nahezu aussichtslos geworden ist die Lage für Mehmet Cetin, seine Frau Sükriye und deren drei Kinder. Seit Jahren kämpft die in Weilbach wohnende Kurdenfamilie - von der Bevölkerung unterstützt - verzweifelt gegen ihre Abschiebung. Jetzt hat das Verwaltungsgericht Würzburg ein weiteres Urteil gefällt, das die Hoffnungen der Cetins auf ein Minimum reduziert. Das Urteil, dem am 18.Januar die mündliche Verhandlung vorausgegangen ist, erklärt die Entscheidung des Miltenberger Landratsamts für rechtmäßig, der fünfköpfigen Kurdenfamilie keine Aufenthaltsgenehmigung ausgestellt zu haben. In ihrem Handeln war die Ausländerbehörde bereits von der Regierung von Unterfranken bestätigt worden; der Frankfurter Rechtsanwalt der Familie Cetin klagte jedoch gegen die ablehnenden Bescheide.

Für das Verwaltungsgericht stand jetzt auf dem Prüfstand, ob Mehmet und Sükriye Cetin sich auf einen Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 29. März 1996 berufen und die so genannte Altfallregelung für sich in Anspruch nehmen können. Hierzu, so der Richter, lagen zum fraglichen Zeitpunkt die Voraussetzungen nicht vor. So hätte die Kurdenfamilie ihre Asylanträge zurückziehen müssen, um überhaupt ein Bleiberecht nach der Altfallregelung zu erlangen.

Anwalt: Unzumutbare Forderung

Cetins Anwalt hatte diese Forderung als unzumutbar bewertet. Von einem Asyl Suchenden könne nicht verlangt werden, sein Asylverfahren aufzugeben, solange das Risiko bestehe, nicht unter die Altfallregelung zu fallen. Den in diesem Sinn formulierten Hilfsantrag lehnte das Gericht jedoch ab. Argument: Die Härtefallregelung sei für die Familie Cetin grundsätzlich nicht in Frage gekommen. Mehmet Cetin hätte den erforderlichen Arbeitsnachweis nicht vorlegen können; die Familie habe Sozialhilfe erhalten. Vor allem aber, so der Richter, hätten gültige Pässe als »unumstößliche Voraussetzung für die Altfallregelung« gefehlt.

Bereits einige Wochen vor diesem Urteil hatten die Hoffnungen von Mehmet Cetin einen herben Rückschlag erlitten. So entschied der Richter in mündlicher Verhandlung, dass die im Asylverfahren vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ergangenen ablehnenden Bescheide sowie nachfolgende Gerichtsurteile rechtmäßig waren. Die Familie Cetin könne kein Asyl beanspruchen - obwohl im März 1999 eine drohende Abschiebung durch eine einstweilige Anordnung richterlich untersagt worden war. Der Grund damals: Das Auswärtige Amt erkannte nach der Festnahme von PKK-Führer Abdullah Öcalan ein erhöhtes Risiko, würden Kurden weiterhin in die Türkei abgeschoben.

Inzwischen jedoch, urteilt das Verwaltungsgericht, habe sich die Situation entspannt - auch weil die PKK-Führung ihren bewaffneten Kampf offiziell für beendet erklärt habe. Zwar wird nach wie vor davon ausgegangen, dass angesichts der Brisanz des Öcalan-Prozesses Abgeschobene besonders gefährdet sind; aber nur, wenn sie sich in der Kurdenfrage engagiert hätten. Das ist laut Gericht bei den Cetins nicht der Fall. »Die Kläger gehören nicht zu diesem Personenkreis.«

Kein Konsens unter Ärzten

Betroffenheit hat das Schicksal der Familie bei den Weilbachern hervorgerufen, weil auch der unter dem »Down-Syndrom« leidende, vierjährige Sohn Sehmus von der Abschiebung in die Türkei bedroht ist. Im Widerspruch zu Stellungnahmen von Allgemeinärzten hatte das Sachgebiet Humanmedizin der Regierung von Unterfranken die Folgen für das mongoloide Kind wenig dramatisch beurteilt. Es handele sich um keine »lebensbedrohliche Krankheit«, so die Amtsärzte, die auch nicht die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung attestierten, welche in der Türkei in Frage gestellt sei.

»Soziale Härte« eingeräumt

Dieser Auffassung schloss sich das Gericht an. Fälle, in denen Asyl Suchenden mit Aids-Erkrankung, angeborenem Herzfehler oder Sichelzellenanämie ein Bleiberecht zugesprochen worden war, seien nicht mit dem Fall Cetin vergleichbar.

Das Gericht räumt abschließend ein, dass es sich um eine »soziale Härte« handele, wenn die Kurdenfamilie wieder in die Türkei ausreisen muss oder abgeschoben wird; aylrechtlich jedoch weise der Fall »keine Besonderheiten« auf. Das Asylrecht schütze »nur vor einer politischen Verfolgung«. Ob es auch »für Bürgerkriegsflüchtlinge geöffnet werden soll, ist eine rechtspolitische Entscheidung und vom Gericht hier nicht zu beurteilen«.