Neue Zürcher Zeitung, 29.02.2000

Freilassung der drei kurdischen Bürgermeister

Wirkungsvoller Druck des Auslands auf die Türkei

Ein türkisches Staatssicherheitsgericht hat am Montag die drei inhaftierten kurdischen Bürgermeister wieder auf freien Fuss gesetzt. Dazu hat wohl der in den letzten Tagen gewachsene aussenpolitische Druck auf Ankara beigetragen. Für die Regierung Ecevit kommt die überraschende Freilassung der kurdischen Politiker einer politischen Niederlage gleich.

it. Istanbul, 28. Februar

Ein türkisches Staatssicherheitsgericht hat am Montag die drei vor anderthalb Wochen inhaftierten kurdischen Bürgermeister freigelassen. Bis zum Datum ihres Prozesses können sie sich frei bewegen. Es bestehe in diesem Fall weder Fluchtgefahr noch sei zu befürchten, dass belastendes Beweismaterial zerstört werde, hiess es in einer kurz gehaltenen offiziellen Erklärung. Rund 2000 Personen haben sich laut Augenzeugen nach Bekanntwerden des Gerichtsbeschlusses vor dem Gefängnis in Diyarbakir versammelt, um die prominenten Politiker zu empfangen. Ob deren Freilassung in der kurdischen Grossstadt wieder ruhigere Verhältnisse herbeiführt, bleibt abzuwarten.

Vergiftete Atmosphäre Die überraschende Verhaftung der drei Bürgermeister hatte im kurdischen Südosten die seit einem halben Jahr relativ entspannte Atmosphäre vergiftet. Die Bürgermeister der südostanatolischen Städte Diyarbakir, Bingöl und Siirt waren nach ihrer Rückkehr aus Deutschland, wo sie einer Konferenz zur Kurdenfrage in der Türkei beigewohnt hatten, am Flughafen von Diyarbakir festgenommen worden. Der Staatsanwalt warf ihnen Verbindungen zur Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) vor und verdächtigte sie, die kurdische Guerilla finanziell unterstütz zu haben. Er unterliess es freilich, konkrete Hinweise für seine gravierenden Klagen vorzulegen. In Siirt und Diyarbakir hat die Polizei in der vergangenen Woche mehrere Protestdemonstrationen teilweise mit Gewalt auseinandergetrieben. Die PKK drohte damit, den bewaffneten Kampf wiederaufzunehmen, falls Ankara derartige «Provokationen» wiederholen sollte.

Für die türkische Regierung beunruhigend war die einheitliche Reaktion aus dem Ausland. Das Europaparlament und der Europarat haben die sofortige Freilassung der Bürgermeister gefordert. Und die Europäische Union unterbreitete eine formelle Demarche. Die amerikanische Regierung bezeichnete die Festnahmen als höchst rätselhaft und tief beunruhigend. Die türkische Presse sprach von einer Rückkehr der konservativen Kräfte im Staat, die eine Einmischung der EU- Regierungen in die internen Angelegenheiten der Türkei - also auch in der Kurdenfrage - nicht duldeten. Die Festnahme der Bürgermeister sollte ein klares Signal an die Adresse der EU sein.

Politische Niederlage Die plötzliche Freilassung der drei Inhaftierten kommt einer Kehrtwende Ankaras gleich und bedeute für die Staatsführung eine politische Niederlage. Noch vor zwei Tagen hatte Präsident Demirel beteuert, in der Türkei könne niemand in laufende juristische Verfahren sich einmischen. Und Ministerpräsident Ecevit hat immer wieder erklärte, die Angeklagten seien nichts anders als der zivile Arm der Terrororganisation PKK. Um dies zu unterstreichen, suspendierte Innenminister Tantan am letzten Freitag gar die drei Politiker in ihrem Amt. Die Massnahme soll bis zum Abschluss des Verfahrens gelten.