Frankfurter Rundschau, 25.2.2000

Kurden-Politikern droht Haft

Drei Bürgermeister angeklagt / 18 Hadep-Politiker verurteilt

Von Gerd Höhler

Die drei kurdischen Bürgermeister der südosttürkischen Städte Diyarbakir, Bingöl und Siirt müssen mit langjährigen Haftstrafen rechnen. Der türkische Staatspräsident Süleyman Demirel und Ministerpräsident Bülent Ecevit verbaten sich erneut mit scharfen Worten jede Einmischung des Auslands in die Affäre.

ATHEN, 24. Februar. Das türkische Staatssicherheitsgericht in Diyarbakir erließ am späten Mittwochabend Haftbefehle gegen die drei Bürgermeister. Sie waren am vergangenen Wochenende von paramilitärischer Gendarmerie auf offener Straße aus ihren Autos heraus festgenommen worden. Die Politiker, die der pro-kurdischen Demokratie-Partei des Volkes (Hadep) angehören, sollen nun wegen Unterstützung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK angeklagt werden. Ihnen drohen bei einem Schuldspruch Haftstrafen bis zu siebeneinhalb Jahren. Die Bürgermeister Feridun Celik (Diyarbakir), Selim Özalp (Siirt) und Feyzullah Karaaslan (Bingöl) wurden noch in der Nacht zum Donnerstag in ein Hochsicherheitsgefängnis bei Diyarbakir gebracht. Ebenfalls wegen PKK-Kontakten verurteilte das Staatssicherheitsgericht in Ankara am Donnerstag den Hadep-Vorsitzenden Ahmet Turan Demir, dessen Amtsvorgänger Murat Bozlak und 16 weitere führende Funktionäre der Partei zu drei Jahren und neun Monaten Haft.

Die Hadep hatte bei den Parlamentswahlen vom April 1999 in den überwiegend kurdisch besiedelten Ostprovinzen Stimmenanteile von über 50 Prozent erzielt, war jedoch landesweit mit 4,8 Prozent an der Zehnprozenthürde gescheitert. Bei den gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen gelang es der Hadep, in der Kurdenregion 37 Bürgermeisterposten zu gewinnen. Gegen die Partei läuft ein Verbotsverfahren.

Während die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Nicole Fontaine, die Verhaftung der drei Bürgermeister als "nicht akzeptabel" und "schädlich für das Bild der Türkei" kritisierte, verbaten sich führende türkische Politiker jede Einmischung. Niemand habe das Recht, Druck auf die Türkei auszuüben, sagte Staatspräsident Demirel. "Wer Verbrechen begeht, wird, ungeachtet seiner Person, zur Rechenschaft gezogen", meinte der Präsident vor Journalisten.

Ministerpräsident Ecevit sagte, die EU-Staaten planten, "uns unter stärkeren Druck zu setzen; aber das lassen wir nicht mit uns machen". Das Ansinnen, Ankara müsse seine Haltung in der Kurdenfrage überdenken, wies der Regierungschef zurück. "Wir bestehen auf unserer Politik", sagte er. Die Türkei, so zitiert ihn die Istanbuler Zeitung Cumhuriyet, befinde sich in einer "neuen Phase" ihrer Beziehungen zur Europäischen Union. Das aber gebe den Europäern nicht das Recht, Druck auszuüben. Im Gegenteil, es sei es nun an der Türkei, "die EU zu warnen", sagte Ecevit.