Der Standard (A), 25.2.2000

Kommentar

Neue Härte in der Türkei

Gudrun Harrer

Die letzte Zeit der Entspannung zwischen der Türkei und Europa war offensichtlich zu schön, um wahr zu sein. Seitdem die türkische Regierung dem starken Druck widerstanden und PKK-Führer Abdullah Öcalan nicht dem Parlamentsvotum - und damit der Exekution seines Todesurteils - ausgeliefert hat, glaubte man in der EU, die Türkei hätte sich im Umgang mit der Kurdenfrage definitiv für einen anderen Weg als den der Gewalt und Gegengewalt entschieden. Die Geschehnisse der letzten Tage müssen die EU zunächst einmal eines Besseren belehren.

Es begann mit einer Abstrafung - Sendeverbot - der erst vor kurzem eröffneten Türkei-Schiene von CNN, wo sich jemand die Frage "Könnte Öcalan vielleicht zu einem Mandela werden?" erlaubt hatte. Über Sinn oder Unsinn dieser Frage braucht hier nicht diskutiert zu werden, es geht darum, wie der EU-Beitrittskandidat Türkei sich vorstellt, seine die Kurden-Frage betreffenden Gesetze mit den EU-Vorstellungen von Meinungs-und Medienfreiheit vereinen zu können. Betroffen macht aber vor allem die Art und Weise, wie die türkischen Staatssicherheitsbehörden am Wochenende gegen die Bürgermeister von Diyarbakir, Siirt und Bingöl vorgegangen sind, gewählte Volksvertreter, von der Straße weg verhaftet wie schwere Kriminelle, parallel zum Massenprozess in Ankara, bei dem die prokurdische Hadep-Partei, der die drei Bürgermeister angehören, quasi als Ganzes vor Gericht stand und verurteilt wurde.

Es mag sein, wie manche Beobachter vermuten, dass die neue Härte nichts ist als ein Ausschlag des Pendels in die andere Richtung, ein Preis, der dafür gezahlt werden muss dafür, Öcalan um der EU Willen erst einmal vor dem Galgen bewahrt zu haben. Der Staat fühlt sich bemüßigt zu beweisen, dass das Niveau der Wachsamkeit der PKK gegenüber nicht sinkt. Dass er dabei aber in die uralten Muster verfällt, ist nicht ermutigend.