Sindelfinger Zeitung, 23.2.2000

Vater und junger Sohn abgeschoben

Böblingen: Kurdische Familie ist getrennt worden / Mutter und älterer Sohn können vorläufig bleiben

Von unserem Redaktionsmitglied Sonja Henning

Die vierköpfige Familie Akdag ist seit Montagmorgen getrennt. Um fünf Uhr morgens kam die Polizei mit dem Abschiebebescheid zu den Kurden in die Sindelfinger Allee in Böblingen.

Der elfjährige Sohn Hüseyin flüchtete aus der Unterkunft ohne Geld, ohne Jacke, ohne Essen. Vater Salman Akdag und den zweijährigen Sohn Mehmet nahmen die Beamten dennoch mit und setzten sie in ein Flugzeug, das sie nach Istanbul in die Türkei brachte. Mutter Feride Akdag ließen sie in Böblingen weil von Hüseyin bislang jede Spur fehlt.

Der "Initiativkreis für Völkerfreundschaft gegen Abschiebung" ist entsetzt. Vor wenigen Tagen erst hatte er auf das Schicksal der Kurden und die drohende Abschiebung aufmerksam gemacht (wir berichteten). "Das ist eine haarsträubende Sache", sagt Gertrud Bayer-Pürckhauer. Nicht einmal ein Anruf sei der Familie seitens der Beamten an dem Morgen erlaubt worden.

Obwohl das Grundgesetz in Artikel sechs den Schutz von Ehe und Familie garantiert, ist die Trennung der Familie durch die Behörden rechtens, so Ralph König, Sprecher des Regierungspräsidiums in Stuttgart. Deren untergeordnete Behörde, die Bezirksstelle für Asyl in Ludwigsburg, hat die Abschiebung angeordnet. "Die Familie ist getrennt gekommen, also kann sie auch getrennt gehen, so argumentieren die Behörden", kritisiert Bodo Büchner, der Anwalt der Familie. Er hat einen neuen Antrag auf Asyl für die Familie gestellt weil das Schicksal der Familie publik gemacht wurde, seien sie in der Türkei in Gefahr.

Der Tübinger Anwalt wendet sich gegen die Abschiebepolitik in Baden-Württemberg: "Wir haben einen der brutalsten Innenminister." Der Initiativkreis will sich mit Menschenrechtsorganisationen in der Türkei in Verbindung setzen. Von Salman Akdag und dem kleinen Mehmet haben sie noch nichts gehört.