Die Presse (Wien), 23.2.2000

Zaghafte Annäherung Irans an den "Großen Satan"

Der Wahlerfolg der Teheraner Reformer könnte zu der wirtschaftlich dringend nötigen Verbesserung der Beziehungen zu den USA führen.

DIE ANALYSE von JAN KEETMAN (ISTANBUL)

An der Mauer eines verwaisten Gebäudes in Teherans Taleqani Straße wird mit Bildern und Parolen vor dem "Großen Satan" gewarnt: "Am Tag, an dem Amerika uns lobt, werden wir trauern müssen." Die Wandparole an der ehemaligen US-Botschaft hat eine gewisse Aktualität. Denn in Washington hat man sich sehr zufrieden über den Sieg der Reformer bei den Parlamentswahlen gezeigt. Doch Außenpolitik scheint "megaout" zu sein in diesen Tagen, in denen ein großer Teil der Bevölkerung, insbesondere die Jugend, an den Urnen ein kräftiges Nein zu den innenpolitischen Verhältnissen im Iran ausgedrückt hat. Im iranischen Wahlkampf war Außenpolitik jedenfalls kein Thema. Trotzdem ist offensichtlich, daß der Vertrauensbeweis für die Reformregierung Khatamis auch mehr Spielraum für außenpolitische Manöver erlaubt. Das schwierigste und wichtigste Feld der iranischen Außenpolitik bleibt dabei das Verhältnis zu den USA. Iran hat mehrfach signalisiert, daß eine Entspannung möglich ist. Doch verlangt man von Washington ein mehr als nur symbolisches Zeichen des guten Willens, so etwa die Freigabe der seit dem Geiseldrama nach der Besetzung der US-Botschaft 1980 eingefrorenen iranischen Guthaben in den USA. Andererseits fällt es Washington schwer, den ersten Schritt zu machen, solange Teheran die im Libanon gegen Israel kämpfende Hisbollah unterstützt. Doch hier war auch für das Mullah-Regime bisher die innenpolitische Schmerzgrenze erreicht: Eine Aussöhnung mit dem von Teheran nach wie vor nicht anerkannten Israel würde der Regierung den Vorwurf des Verrates einbringen. Doch was auf der ideologischen Ebene höchst schwierig ist, wird auf der praktisch-ökonomischen sehr wohl benötigt. Die von Washington gegen Teheran verhängten Sanktionen, die den Zufluß ausländischer Technologie und Investitionen hemmen, schränken die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Landes ein. Sie führen dazu, daß Iran seine geographischen Vorteile im Handel mit den neuen Staaten Zentralasiens nicht voll ausspielen kann. Ein Beispiel ist der Bau einer Pipeline von Baku am Kaspischen Meer zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan. Mit Unterstützung Washingtons wurde auf dem OSZE-Gipfel in Istanbul im November ein entsprechender Vertrag unterschrieben. Doch es ist ein rein politischer Vertrag. Ökonomisch wird sich die Pipeline vermutlich nie rentieren, denn das in den Erdölfeldern Aserbaidschans noch vorhandene Öl wirft wenig Profit ab im Vergleich zu den Baukosten einer über 1700 Kilometer langen Pipeline durch schwieriges Gelände; die wirtschaftlichste Lösung wäre eine nur 300 km lange Pipeline ins iranische Täbris. Hinter den Schwierigkeiten, die bisher die Implementierung des Vertrages von Istanbul immer wieder verzögert haben, könnte letztlich der Wunsch der Ölfirmen stehen, abzuwarten, ob nicht doch noch grünes Licht aus Washington für das Projekt Baku-Täbris anstelle von Baku-Ceyhan zu haben ist. Einen Ausgleich für die Blockade Washingtons sucht Iran in guten Beziehungen zu Moskau. Solange westliche Technologie nicht in allen Bereichen zu haben ist, ist die russische Technik noch immer ein gewisser Ersatz. In diesem Zusammenhang sind die wiederholten Vorwürfe Washingtons an russische Firmen zu sehen, die Iran angeblich mit Militärtechnologie versorgen. Doch es gibt auch wichtige zivile Projekte zwischen beiden Ländern, wie den geplanten gemeinsamen Bau eines großen Passagierflugzeuges. Dafür tritt der islamische Iran auffallend leise auf, wenn es um Kritik am russischen Tschetschenienkrieg geht. In Moskau kommentierte man daher das iranische Wahlergebnis nicht mit großer Freude. Denn es ist zu offensichtlich, daß eine Annäherung Teheran-Washington der Achse Teheran-Moskau schaden wird. Doch wird Iran auch nach dem Wahlsieg der Reformer wohl nur behutsam auf dem Weg einer Normalisierung der Beziehungen zu den USA voranschreiten können. Zu tief sitzt das durch amerikanische Interventionen in die iranische Innenpolitik geschürte Mißtrauen. Die Erinnerung an die Mithilfe der CIA beim Putsch gegen Premierminister Mosadegh 1953 und die Unterstützung des Schah-Regimes ist noch wach. Kurzfristig ist hingegen mit einer weiteren Verbesserung des Verhältnisses zu Europa zu rechnen, insbesondere zur Bundesrepublik Deutschland. Berlin unternimmt intensive Anstrengungen, die durch die Ermordung von vier kurdisch-iranischen Dissidenten in Berlin und den darauffolgenden sogenannten "Mykonos-Prozeß" angeschlagenen Beziehungen wieder ins Lot zu bringen.