Frankfurter Rundschau, 23.2.2000

EU und Fischer setzen sich für kurdische Bürgermeister ein

Berlin kündigt Unterstützung für festgenommene Hadep-Politiker an / Türkischer Premier Ecevit verteidigt Haft

Von Gerd Höhler

Die Festnahme dreier kurdischer Bürgermeister im Südosten der Türkei hat die EU-Präsidentschaft und die deutsche Bundesregierung auf den Plan gerufen. Sie kündigten an, sich um die Freilassung der Kommunalpolitiker zu bemühen. Unterdessen rechtfertigte der türkische Premier Bülent Ecevit die Festnahmen.

ATHEN, 22. Februar. Die am Wochenende von bewaffneten Kommandos der paramilitärischen Gendarmerie abgeführten kurdischen Bürgermeister der südosttürkischen Städte Diyarbakir, Bingöl und Siirt waren am Dienstag weiter in Haft. Den Kommunalpolitikern von der pro-kurdischen Demokratie-Partei des Volkes (Hadep) werden den Behörden zufolge illegale Kontakte zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK angelastet. In Diyarbakir trieb die Polizei am Dienstag Demonstranten, die gegen die Festnahmen protestieren wollten, mit Schlagstöcken auseinander. Dutzende wurden festgenommen. Die Anwälte der inhaftierten Bürgermeister forderten eine ärztliche Untersuchung ihrer Mandaten. Es gebe Hinweise auf Folterungen.

Ministerpräsident Ecevit verteidigte die Festnahmen indirekt und verbat sich jede ausländische Einmischung. Das Justizwesen in der Türkei sei "vollkommen unabhängig und funktioniert perfekt". Der Premier wies den Eindruck zurück, er selbst habe den Anstoß zu den Festnahmen gegeben. Ecevit hatte in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview den Hadep-Bürgermeistern vorgehalten, sie missbrauchten ihre Posten "zu politischen Zwecken" und gefährdeten die "Einheit". Die Hadep habe zur "Politisierung der Separatistenbewegung beigetragen". Dazu sagte Ecevit nun, er habe die Bürgermeister "freundlich" gewarnt; zwischen seinen Äußerungen und den Festnahmen gebe es keine Verbindung. Er habe niemals versucht, die Justiz zu beeinflussen.

Der Vize-Vorsitzende der in Ankara mitregierenden Mutterlandspartei (Anap), Salih Yildirim, rügte, man hätte angesichts der sich abzeichnenden Befriedung im Kurdenkonflikt die Folgen der Festnahmen besser abwägen müssen. Der Anap-Vorsitzende und türkische Vizepremier Mesut Yilmaz, der in der Kurdenregion erklärt hatte, die "Straße nach Europa" führe durch Diyarbakir, ist laut Parteikreisen verärgert. Yilmaz telefonierte wegen des Vorgangs mit Innenminister Sadettin Talan und dem Sondergouverneur der Kurdenregion.

Auf deutsche Initiative hin werde die portugiesische EU-Präsidentschaft von Ankara verlangen, die Bürgermeister sofort freizulassen, hieß es im Auswärtigen Amt in Berlin. Auch die deutsche Botschaft werde aktiv. Ferner wollte Außenminister Joschka Fischer laut Agenturberichten noch am Dienstag mit seinem türkischen Kollegen Ismail Cem telefonieren.