HANDELSBLATT, 22.2.2000

"Stärkung der Demokratie"

Wahlsieg der Reformer im Iran in Deutschland begrüßt

Reuters BERLIN. Bundesregierung und die Parteien haben den Wahlsieg der Reformkräfte bei den Parlamentswahlen im Iran begrüßt. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Andreas Michaelis, sagte am Montag: "Der Ausgang der Parlamentswahlen ist ein wichtiges und ermutigendes Signal für die Stärkung der Demokratie im Iran." Er kündigte zudem eine Reise von Außenminister Joschka Fischer (Grüne) nach Teheran an. Auch die Bundestags-Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen begrüßten den Wahlausgang, warnten jedoch vor zu großen Erwartungen. Auch verschiedene Iran-Experten erwarten eine Verbesserung der deutsch-iranischen Beziehungen.

Das Datum der geplanten Iran-Reise Fischers soll nach Michaelis' Angaben in den nächsten Tagen bekannt gegeben werden. Die "Financial Times Deutschland" berichtete, der Besuch werde Anfang März stattfinden. Die Bundesregierung erwartet weiterhin für das Frühjahr einen Besuch des reformorientierten iranischen Präsidenten Mohammad Chatami, der durch den Wahlausgang als gestärkt gilt.

Für die Unions-Fraktion erklärte der Iran-Berichterstatter Ruprecht Polenz, der Sieg der Reformkräfte "zeigt unübersehbar den Wunsch der iranischen Bevölkerung nach größeren Freiheiten, wirtschaftlicher Besserung und einer Öffnung des Landes im Inneren und nach außen". Deutschland und die Europäische Union sollten den Reformprozess "mit beharrlicher Behutsamkeit unterstützen". Dabei sollten sie nicht nur die Wirtschaftsbeziehungen fördern, sondern auch einen "Dialog der Kulturen" fördern. Der für Außenpolitik zuständige Vizechef der SPD-Fraktion, Gernot Erler, erklärte, das "erfreuliche Resultat" der Wahlen sollte "den Westen ermutigen, die vorsichtige Annäherungspolitik gegenüber dem Iran fortzusetzen". Es sei jedoch "mehr als ungewiss, ob die großen Erwartungen der iranischen Bevölkerung in die neue Mehrheit schnell genug befriedigt werden können". Erler warnte, der "vorsichtige Liberalisierungskurs wird vermutlich auch in Zukunft von Rückschlägen begleitet werden". Für die Fraktion Bündnis90/Grüne erklärte deren menschenrechtspolitische Sprecherin Claudia Roth, die Reformer hätten durch das Wahlergebnis nun mehr Spielraum. Angesichts der "eklatanten Menschenrechtsverletzungen der Vergangenheit und Gegenwart" seien die Fortschritte unter Chatami "richtig und wichtig, aber nicht ausreichend". Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Ulrich Irmer, begrüßte das Wahlergebnis als Absage an das "System einer rückwärts gewandten islamischen Theokratie". Er forderte die Bundesregierung auf, "in ihrer Iran-Politik in einen konstruktiven Dialog sowohl mit den reformorientierten, als auch mit den konservativen Kräften" einzutreten". Der Direktor des Deutschen Orient-Instituts in Hamburg, Udo Steinbach, sagte Reuters, er erwarte eine "Renormalisierung der Beziehungen" zwischen Deutschland und dem Iran. Allerdings werde Deutschland seine frühere Sonderrolle gegenüber dem Iran nach den Spannungen der vergangenen Jahre nicht mehr spielen können. Notwendig sei, die Beziehungen sollten künftig auf einer breiteren Grundlage ruhen als bisher und sich auch im gesellschaftlichen und kulturellen Bereich öffnen. Auch der Iran-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Ebenhausen, Johannes Reissner, sagte, das Wahlergebnis stärke den in Deutschland zu beobachtenden Trend zu einem differenzierten Iran-Bild, das sich vom "Zerrbild des Mullah-Staates" lösen müsse.