Frankfurter Rundschau, 22.2.2000

Erdrutschsieg für Irans Reformer

Reformkräfte nach Wahlen vor absoluter Mehrheit

TEHERAN, 21. Februrar (ap/dpa/me/ öhl). Mit großer Mehrheit haben die Iraner bei der Parlamentswahl den Reformkurs von Präsident Mohammad Khatami unterstützt. Nach Bekanntwerden der meisten Wahlergebnisse zeichnete sich am Montag eine absolute Parlamentsmehrheit für die Reformkräfte ab, die bereits 137 der insgesamt 290 Sitze der Madschlis hielten. Die konservativen Kräfte gewannen bis dahin nur 44 Mandate, zehn Sitze gingen an unabhängige Kandidaten. Weitere 69 Abgeordnete werden in Stichwahlen ermittelt, da keiner der Kandidaten die erforderliche Mindestquote von 25 Prozent erhielt. Bei der Auszählung der Mandate in der Hauptstadt Teheran zeichnete sich ein erdrutschartiger Sieg der Reformer ab. Deren Kandidaten lagen in 26 von 30 Stimmbezirken vorne, wie das staatliche Fernsehen berichtete. Landesweit lag die Wahlbeteiligung bei 83 Prozent.

Das neue Parlament soll im Juni zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Da der konservative Klerus mehrere Schlüsselpositionen besetzt hält, ist unklar, ob der bisherige Kurs vorsichtiger Reformen künftig entschlossener verfolgt wird. Der Wächterrat, ein zwölfköpfiges Gremium aus Klerikern und Juristen, muss die Beschlüsse des Parlaments absegnen. Auch die höchste Autorität des Landes, der konservative Religionsführer Ayatollah Ali Khamenei, kann Parlamentsbeschlüsse ablehnen.

Im Ausland wurde der Sieg der Reformer mit Freude aufgenommen. Bundesaußenminister Joschka Fischer will nach Angaben seines Ministeriums im März nach Iran reisen. Auch die USA begrüßten das sich abzeichnende Resultat. Außenamtssprecher James Rubin sprach am Sonntag in Washington von einem historischen Vorgang, der den Wunsch des iranischen Volkes nach mehr Freiheit zum Ausdruck bringe. Der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit äußerte die Hoffnung, Iran werde nun "nicht länger versuchen, seine Revolution in andere Länder zu exportieren".