junge Welt, 21.2.2000

»Eine einfache Botschaft«

US-Kongreßabgeordnete forderten Präsident Clinton zur Aufhebung des Irak-Embargos auf

Von der Presse kaum beachtet fand am vergangenen Mittwoch auf den Stufen des Capitol Hill in Washington eine Pressekonferenz statt, bei der Abgeordnete des US- Kongresses Präsident Clinton aufforderten, die nichtmilitärischen Sanktionen gegen Irak zu lockern. Hintergrund ist die Tatsache, daß diese Sanktionen im Irak eine humanitäre Tragödie verursachen. Der Führer der demokratischen Fraktion im Kongreß, David E. Bonior, bezeichnete die Sanktionen als »kindermordende Maßnahmen, die als Politik verkauft werden«. Dabei berief er sich auf einen UNICEF-Bericht, wonach jeden Monat einige tausend irakische Kinder an den Folgen des Embargos sterben. Bereits Anfang der vergangenen Woche hatten mit dem Leiter des humanitären UN-Hilfsprogramms für Irak, Hans Sponeck, und der Leiterin des entsprechenden Nahrungsmittelprogramms, Jutta Burghardt, zwei hochrangige UNO-Vertreter aus denselben Gründen ihr Amt niedergelegt. Zumindest moralische Unterstützung bekamen sie dabei von Frankreich: Im Sicherheitsrat brachte Paris die Tatsache, daß dem Embargo unschuldige Menschen zum Opfer fallen, auf den Tisch.

»Besonders kleine Kinder sind die wirklichen Opfer unserer Wirtschaftssanktionen gegen den Irak«, betonte Bonior denn auch bei der Pressekonferenz in Washington. »Es ist höchste Zeit, daß wir erkennen, daß dieses Embargo nicht Saddam Hussein, sondern Millionen unschuldiger Zivilisten trifft.« Der republikanische Abgeordnete John Conyers hat dazu bereits einen Gesetzentwurf eingereicht, der inzwischen von 70 Kongreß-Abgeordneten unterstützt wird.

Auch der Republikaner Dennis Kucinich aus Ohio machte deutlich, daß die Aktion vor dem Capitol nicht als Unterstützung Saddam Hussein mißverstanden werden sollte. Er sagte, es gäbe gute Gründen davon zu sprechen, daß »die Sanktionen eher das Regime in Bagdad gestärkt haben, während sie das Volk, das das Regime stürzen will, geschwächt haben.«

Bonior nannte in seiner Pressemitteilung vom letzten Mittwoch das Embargo gegen Irak sogar noch verwerflicher als die Neutronenbombe: »Als ich vor Jahren das erste Mal nach Washington kam, debattierte der Kongreß die Moralität einer Waffe, die Neutronenbombe genannt wurde«, heißt es darin. »Eine Waffe, die die Eigenschaft besitzt, Häuser und Material unbeschädigt zu lassen, dafür aber Millionen von Menschen zu töten. Heute sind wir hier, um über eine andere Waffe zu sprechen, die sogar profundere moralische und strategische Fragen aufwirft. Es ist eine Waffe, die nicht nur die Militärmaschine der anderen Seite vollständig unversehrt läßt, sie ist außerdem ohne jede Wirkung auf die mächtige Elite, die das Militär kontrolliert. Zugleich aber hat diese Waffe bereits mehr als eine Million Zivilisten getötet, meistens kleine Kinder. Diese Waffe hat einen Namen: es sind die Wirtschaftssanktionen gegen die Menschen im Irak.«

Zugleich verweist Bonior darauf, daß die Sanktionen die USA und die UNO keinen Schritt weiter zu ihrem offiziell erklärten Ziel bringen: »Aber diese Wirtschaftssanktionen sind nicht einfach ein moralisches Verbrechen, sie stellen auch ein strategisches Debakel dar. Indem wir einen Belagerungsring um die wirtschaftliche Infrastruktur legen, ... bestrafen wir genau jene Leute, die dabei helfen könnten, ein freies und demokratisches Irak aufzubauen. Seit zwei Jahren ersuchten wir Präsidenten Clinton, im Umgang mit Irak ein neues Kapitel aufzuschlagen. Heute wiederholen über 70 Mitglieder des Kongresses diesen Aufruf. Unsere Botschaft ist einfach: Millionen Kinder leiden und wir weigern uns, die Augen vor der Vernichtung unschuldigen Lebens zu schließen!«

Rainer Rupp