Berliner Morgenpost, 21.2.2000

Hoffnung nach der Katastrophe

Türkische Reisebranche will mit neuen Angeboten aus der PKK- und Erdbebenkrise

dpa Istanbul - Die türkische Tourismus-Branche ist nach einem katastrophalen Jahr wieder hoffnungsvoll. Nachdem 1999 viele Hotels an der Südküste auf Grund von Besuchermangel gar nicht erst ihre Pforten geöffnet hatten, soll es in diesem Jahr wieder bergauf gehen. Derzeit werden Berichten zufolge mindestens 50 000 Saisonarbeiter vor allem für die Südtürkei gesucht. «Wir glauben, dass 2000 ein gutes Jahr werden wird», sagte der Präsident der Türkischen Hotelvereinigung, Ali Güreli.

Auch Riza Epikmen von der Türkischen Reisebüro-Vereinigung rechnet mit einem Plus bei den Besucherzahlen: «Besonders Antalya und die Südküste laufen wieder gut.» Schätzungen zufolge sollen in diesem Jahr mindestens neun Millionen ausländische Touristen die Türkei besuchen. Im vergangenen Jahr kamen offiziellen Angaben zufolge nur knapp 7,5 Millionen Besucher - im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang um 20,6 Prozent.

Grund für den deutlichen Einbruch waren vor allem die Festnahme des Chefs der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, und mehrere Anschläge. Sogar James-Bond-Darsteller Pierce Brosnan war daraufhin nicht bereit, zu Dreharbeiten des Films «Die Welt ist nicht genug» in die Millionen-Metropole Istanbul zu reisen.

Auch die beiden verheerenden Erdbeben im August und November, bei denen mehr als 18 000 Menschen ums Leben kamen, haben viele Urlauber abgeschreckt. «Wir konnten nicht vermitteln, wo genau die Schäden entstanden sind. Manche Menschen glauben, Istanbul liegt in Schutt und Asche», sagte Epikmen. Zwar sind auch in den Randgebieten Istanbuls zahlreiche Menschen ums Leben gekommen und Häuser zerstört worden, doch das touristische Zentrum mit Attraktionen wie der Hagia Sophia, der Blauen Moschee und dem Topkapi-Palast war nicht betroffen.

Auch in diesem Jahr droht das Image der Türkei beschädigt zu werden: Die grausamen Morde der radikal-islamischen Terror-Organisation Hisbollah könnten erneut Urlauber vergraulen. «Die jüngsten Entwicklungen sind für den Tourismus natürlich nicht gut», so Güreli. Insgesamt hat sich die Branche für die kommenden Jahre aber hohe Ziele gesteckt: Nach Angaben von Tourismusminister Erkan Mumcu sollen in rund zehn Jahren jährlich etwa 20 Millionen Touristen in die Türkei kommen.

Doch nicht alle sollen in den Hotel-Komplexen der Süd- und Westküste ihre Ferien verbringen. Neben dem Massentourismus will die Branche verstärkt auf Individual-Urlauber setzen. «Viele Leute wollen nicht mehr in Gruppen reisen», sagte Güreli. Derzeit arbeitet die Branche an einem Internetauftritt. Dort soll der Urlauber nicht nur Informationen über die verschiedenen Regionen der Türkei bekommen, sondern auch direkt Hotels oder Mietwagen reservieren können.

Zuwächse erhoffen sich die Experten langfristig auch von Ferien auf Almen in der Schwarzmeer-Region, vom Wintersport zum Beispiel auf dem Uludag in der Nähe der Stadt Bursa und von Reisen zu religiös bedeutsamen Orten. Noch sind frühchristliche Stätten wie Antakya, Tarsus und Ephesos nur einem ausgewählten Publikum bekannt. Hervorragende Werbung machte in dieser Hinsicht US-Präsident Bill Clinton. Bei seinem Türkei-Besuch im vergangenen Jahr machte Clinton mit seiner Familie einen Abstecher nach Ephesos und posierte für die Fotografen vor historischer Kulisse.