Rheinpfalz online, 20.2.2000

Sieg der Reformer in Iran zeichnet sich ab

Bei den Parlamentswahlen in Iran zeichnet sich ein Sieg der Reformbewegung um Präsident Mohammed Chatami ab. Ersten Ergebnissen vom Samstag zufolge gewann das Reformbündnis "Front der Beteiligung" in traditionell konservativen ländlichen Regionen mindestens 57 von 95 Sitzen. Auch in der Hauptstadt Teheran lagen die Reformer deutlich in Führung. Die Konservativen bedauerten bereits den "relativen Erfolg" der politischen Gegner, werteten jedoch die ungewöhnlich hohe Wahlbeteiligung von über 75 Prozent als Vertrauensbeweis für den Gottesstaat. In der Hauptstadt, in der 30 Parlamentsabgeordnete gewählt wurden, setzte sich der Bruder des Präsidenten, Mohammed Reza Chatami, nach inoffiziellen Angaben aus dem Innenministerium bereits in der ersten Runde durch.

Die amtlichen Ergebnisse des ersten Durchgangs vom Freitag werden erst in einigen Tagen erwartet, da von Hand ausgezählt wird. Falls es zu einer Stichwahl kommt, findet der zweite Durchgang innerhalb von zwei Monaten statt. Die iranische Presse ging am Samstag weitgehend von einer Niederlage der Konservativen aus. "Der Sieg der Reformer steht bereits klar am Horizont", titelte die liberale Zeitung "Moscharekat". Außenminister Kamal Charazi betonte, dass durch einen Erfolg des Reformerflügels die Arbeit der Regierung einfacher würde. "Die Gesetze könnten leichter und in einer positiven Atmosphäre durchgebracht werden", sagte er bei einem Besuch in Kuala Lumpur. Bislang wurde das Parlament von den radikal-islamischen Kräften beherrscht.

Sollten die Reformer das Parlament erobern, bleibt die Schaltzentrale der Macht dennoch in der Hand der Konservativen. Oberster Führer der Republik ist und bleibt Ayatollah Ali Chamenei. Mit einem Erfolg für die Reformer hätten die Wähler aber dem amtierenden Präsidenten Chatami, der zwei Jahrzehnte nach der Islamischen Revolution für eine Öffnung auch gegenüber dem Westen eintritt, klar den Rücken gestärkt.

Insgesamt bewarben sich 5824 Kandidaten, unter ihnen 424 Frauen, um die 290 Sitze im Madschlis genannten iranischen Parlament. Wahlberechtigt waren 38,7 Millionen Iraner.