Tagesspiegel, 18.2.2000

Irak-Hilfe als Zankapfel

Rücktritte deutscher UN-Beauftragter wegen Kritik am UNO-Embargo

Thomas Burmeister

Wenn es um den Irak geht, kennen die meisten Außenpolitiker Washingtons nur Freunde oder Feinde. Als Freund galt der Anfang dieser Woche zurückgetretene Leiter der humanitären UN- Hilfsprogramme in Bagdad, Hans Graf von Sponeck, den Amerikanern nicht. Der Deutsche hatte ungewöhnlich offen vor CNN-Kameras beklagt, einzig und allein die "völlig unschuldige Zivilbevölkerung" des Iraks leide unter den UN-Sanktionen gegen das Regime Saddam Husseins. Dass ein prominenter Gegner der auf Betreiben der USA seit neun Jahren immer wieder verlängerten Strafmaßnahmen - und in seinem Schlepptau auch die deutsche Vertreterin des UN-Nahrungsmittelprogramms (WFP) im Irak, Jutta Burghardt - das Handtuch warfen, dürfte Washington recht sein. Mehrfach hatten die USA UN-Generalsekretär Kofi Annan aufgefordert, von Sponeck zu entlassen. Dass die beiden Deutschen ihre Rücktritte nun mit versteckten Schuldzuweisungen in Richtung USA versahen, hat dem deutsch-amerikanischen Bündnis allerdings Kratzer hinzugefügt.

"Die Amerikaner sind irritiert, dass ausgerechnet internationale Beamte des Nato-Partners Deutschland deren Irak-Politik öffentlich in Frage stellen", sagte ein westlicher UN-Diplomat. Dabei hatten von Sponeck und Burghardt lediglich gesagt, was jeder im UN-System, der mit dem Irak zu hat, längst weiß: Die Sanktionen, die nach der irakischen Aggression gegen das Nachbarland Kuweit verhängt wurden, haben zu einer humanitären Tragödie geführt.

Erst kürzlich legte das UN-Kinderhilfswerk Unicef einen Bericht vor, wonach heute im Irak mehr als doppelt so viele Kinder unter fünf Jahren sterben als vor Beginn der Sanktionen - etwa 130 von 1000, statt früher etwa 55. Fast ein Viertel der Kinder in Irak seien in Folge der UN-Sanktionen unterernährt. Insgesamt habe sich die Lage der einfachen Bevölkerung drastisch verschlechtert.

Die beiden Deutschen verwiesen auf die UN-Resolution 1284, die sie nicht umsetzen könnten. Sie bietet dem Irak die Aufhebung des UN-Embargos als Gegenleistung dafür an, dass UN-Inspekteure dort ohne Beschränkungen nach vielleicht noch vorhandenen Anlagen zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen suchen dürfen.

"Von Sponeck hat im Irak die realen Leiden von Menschen gesehen", sagt ein deutscher UN-Experte. "Er hat sich bemüht, sie zu lindern und ist dabei in einen unlösbaren Konflikt geraten." Dazu dürfte Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) seinen Beitrag geleistet haben. Noch im Dezember hatte Fischer von Sponeck den Rücken gestärkt. Der Grüne und der Graf hätten sich "total auf derselben Wellenlänge getroffen", erinnerten sich Teilnehmer der Begegnung.

Später macht Fischer aber einen Rückzieher. Graf Sponeck ließ er nach dessen Rücktritt durch einen Sprecher bescheinigen, er habe "hervorragende Arbeit geleistet". Berlin setze sich weiterhin dafür ein, dass "der Sicherheitsrat den humanitären Bedürfnissen der irakischen Bevölkerung Rechnung trägt". Deutschlands UN-Mission in New York hat aber bislang keine Weisungen erhalten, wie das konkret erreicht werden soll.