Berliner Zeitung, 18.2.2000

Politische Köpfe und Kräfte

Ali Chamenei (geb.: 1938) trat 1989 die Nachfolge von Ajatollah Chomeini als "Führer der Revolution" an. Der Amtsinhaber wird vom "Expertenrat" gewählt. Chamenei wacht über die Vereinbarkeit politischer Beschlüssen mit den religiösen Prinzipien - was er als Vertreter der Konservativen zur Beeinflussung der Tagespolitik nutzt. Kritiker bestreiten seine religiöse Qualifikation für dieses Amt und werfen ihm Instrumentalisierung der Religion vor. Mohamed Chatami (geb.: 1943) wurde 1997 vom Volk zum Präsiden ten gewählt. Wie Chamenei gehörte auch er zum engsten Kreis um Ajatollah Chomeini. Als Minister für Kultur unter Präsident Rafsanjani setzte er sich für eine Lockerung der Zensur und größere Meinungsfreiheit ein, musste aber 1992 zurücktreten. Chatami stellt die religiösen Grundlagen des Systems nicht in Frage, er will es reformieren, um es zu retten - weshalb ihn bei einigen Vorhaben auch Konservative unterstützen.

Ali Akhbar Hashemi-Rafsanjani (geb.: 1934) war von 1989 bis 1997 Präsident. Durch eine Verfassungsreform wurde das Amt mit exekutiven Befugnissen ausgestattet, er wurde quasi Regierungschef. Seine Wirtschaftsreform-Versuche nach dem Krieg mit Irak scheiterten. Er galt bislang als Mittler zwischen den Konservativen und den Reformern. Doch der durch Pistazienhandel reich gewordene Rafsanjani hat stets seine eigenen Ziele verfolgt. Nachdem er jetzt überraschend für das Parlament kandidierte, vereinnahmten ihn die Konservativen.

Hossein Ali Montazeri (geb.: 1923) sollte Nachfolger Chomeinis werden. Wegen seiner Kritik an den Exzessen der Revolution und den Machtstrukturen fiel er in Ungnade, seit 1989 stand er wiederholt unter Hausarrest. Er genießt große religiöse Autorität und gilt als geistiger Kopf jener Klerikalen, die eine Einmischung der Religion in die Politik ablehnen. Er fordert "mehr Respekt für das Recht der Bürger auf Selbstbestimmung".

Jamileh Kadivar (geb.: 1962) ist Mitglied des Parlaments und bewirbt sich erneut um einen Sitz. Sie ist eine von insgesamt 424 Kandidatinnen - was eine Rekordzahl weiblicher Bewerberinnen bedeutet. Jamileh Kadivar gehört zum Lager des Präsidenten. Gemeinsam mit anderen prominenten Frauen fordert sie eine Änderung der auf dem Islam basierenden Familiengesetze sowie Rechte, die der inzwischen eroberten starken Stellung der Frauen in der Gesellschaft entsprechen: Sie haben 28 Prozent der Arbeitsplätze inne, einige bekleiden hohe politische Ämter.