junge Welt, 17.2.2000

Irak: Die Sanktionen töten täglich

Protest gegen das von den USA diktierte UNO-Embargo wächst

Am Mittwoch morgen fand vor dem Capitol in Washington eine Pressekonferenz statt, bei der im Namen von 70 Mitgliedern des US-Kongresses die Regierung Clinton aufgefordert wurde, die Sanktionen gegen Irak aufzuheben. Bereits Ende Januar hatten die Abgeordneten ihre Forderungen in einem Brief an den Präsidenten gerichtet. Das Schreiben, das von Vertretern der beiden Parteien im Kongreß vertretenen unterschrieben wurde, zitiert aus Berichten der UNICEF und anderen im Irak aktiven UNO- Hilfsorganisationen, wonach »schätzungsweise eine Million Menschen, zum größten Teil Kinder, an den Folgen des Embargos wegen mangelnder medizinischer Versorgung oder Unterernährung gestorben sind. Jeden Monat sterben Tausende Kinder unter fünf Jahren an den Auswirkungen der Sanktionen«. Und eine Besserung scheint nicht in Sicht. Statt dessen berichtete das Internationale Rote Kreuz zu Beginn dieses Monats, daß die Lage der zivilen Bevölkerung im Irak »immer verzweifelter« würde.

Vor dem Hintergrund der wachsenden Zahl unschuldiger Opfer und der geringen Aussichten auf Besserung angesichts eines unverändert harten US-Sanktionskurses ist auch der Rücktritt des deutschen Diplomaten Hans von Sponeck zu sehen. Sponeck war von 1998 bis jetzt Leiter des humanitären UNO-Hilfsprogramms im Irak. Am Dienstag folgte ihm die Leiterin des Nahrungsmittelprogramms für Irak, Jutta Burghardt. Sie legte ihr Amt unter Protest nieder, wie ein Sprecher des Welternährungsprogramms (WFP) der Vereinten Nationen in Rom bestätigte. Die französische Regierung unterstützte unterdessen die Bewertung von Sponecks, der die UN-Sanktionen gegen Irak scharf kritisierte hatte.

Doktor Hannush vom UN-Welternährungsprogramm hatte angesichts der ungeheuren Anzahl von Todesopfern durch das Embargo vom »Äquivalent von zehn stillen Hiroshimas« gesprochen. Diesen Gedanken griff der ehemalige US- Generalstaatsanwalt Ramsey Clark bei seinem Besuch in Irak Mitte Januar wieder auf, als er die Wirtschaftssanktionen gegen Irak »als die gefährlichsten Massenvernichtungswaffen der Welt« bezeichnete. Ramsey Clark führte eine 60köpfige Delegation an, die für etwa zwei Millionen Dollar Medizin in den Irak brachte. Dabei gingen alle amerikanischen Bürger, die an diesem humanitären Besuch teilnahmen, ein ziemliches Risiko ein. Nach amerikanischem Gesetz können sie wegen Embargobruchs zu einer Million Dollar Strafe und/oder zwölfJahren Gefängnis verurteilt werden.

Renegaten wie Ramsey Clark und seine Begleiter oder mutige UNO-Beamte wie von Sponeck, die versuchen, im Irak die menschliche Tragödie zu lindern, sind den amerikanischen Humankriegern ein Dorn im Auge. In den Augen der US- Regierung haben Leute wie von Sponeck pures Teufelswerk verrichtet. US-Außenamtssprecher Rubin hatte bereits unmißverständlich den amerikanischen Stab über ihn gebrochen, als er sagte: »... seine (von Sponecks) Arbeitsauffassung zeigt, daß er für diesen Job absolut nicht geeignet ist. ... Seine Aufgabe sollte sein, für das irakische Volk zu arbeiten.«

Das ist ein typisches Beispiel für die neue Sprache des neuen »humanitären« Militarismus. Da wird Krieg zu Frieden und Angriff zu Verteidigung und das Massensterben im Irak zur Volkshilfe.

Rainer Rupp