Die Welt, 17.2.2000

Abschließendes Urteil zum Angriff auf Israels Konsulat fehlt

Bilanz: Ein Jahr nach den Schüssen auf gewaltbereite Kurden

Von Matthias Bieder

Der 17. Februar 1999. Nach der Festnahme des Kurdenführers Abdullah Öcalan zwei Tage zuvor eskaliert die Gewalt. Bereits am 16. Februar hatten Kurden das griechische Generalkonsulat besetzt und verwüstet. Die Berliner Polizei versucht deeskalierend zu handeln. Doch die dramatische Entwicklung überrascht die Behörden. Nachdem eine Gruppe gewalttätiger Kurden die Polizisten am israelischen Konsulat überrannt hat, dringt sie in das Gebäude. Die israelischen Sicherheitsmänner schießen auf die bewaffnete Menge. Vier Tote und viele Verletzte sind zu beklagen. Ein Jahr danach bleiben - trotz Untersuchungsausschuss - Unklarheiten.

Der letzte Zwischenbericht des Generalstaatsanwaltes ist vom vergangenen März. Einen abschließenden Bericht gibt es nicht. Die beiden Schützer, Wachmänner des israelischen Konsulats und Angehörige des israelischen Geheimdienstes, stehen unter diplomatischer Immunität. Ihre Aussagen wurden aufgenommen, die Ermittlungen gegen sie eingestellt.

Zeugen haben ausgesagt, die Wachmänner hätten gezielt auf die heranstürmende Menge geschossen. Unklar blieb, wie sich die Tür des Konsulats öffnete. Ob sie von den Kurden aufgetreten oder von innen aufgerissen wurde. Durch die Klärung dieses Sachverhaltes hätte man genauer feststellen können, aus welchen Beweggründen geschossen wurde. Dementsprechend diffus drückte sich die Staatsanwaltschaft in dem Zwischenbericht aus: "Das Verhalten der israelischen Sicherheitskräfte kann nach bisherigen Ermittlungsergebnissen aufgrund einer Notwehrsituation dem Grunde nach gerechtfertigt sein. Ob dies für den gesamten Geschehensablauf gilt, kann die Staatsanwaltschaft derzeit nicht abschließend beurteilen."

Insgesamt wurde gegen 150 Kurden ermittelt, 29 Haftbefehle wurden wegen Körperverletzung und Landfriedensbruch erlassen. Zehn Prozesse gegen Demonstranten sind mittlerweile abgeschlossen, ein weiterer läuft noch, ein anderer ist ausgesetzt. Sechs Angeklagte wurden freigesprochen. Zwei Jahre auf Bewährung lautete bisher die höchste Strafe.

Innenverwaltung und Polizeiführung mussten sich schweren Vorwürfen stellen. Warnungen sollen missachtet, das Konsulat nicht ausreichend geschützt worden sein. "Ja, ja, wir schützen die ganze Welt", soll Polizeipräsident Hagen Saberschinsky zum damaligen Innenstaatssekretär Kuno Böse gesagt haben. Der Ausspruch sorgte für Empörung. Sowohl Saberschinsky als auch Werthebach sind weiter im Amt, die beiden Wachmänner wieder in der Heimat. Und unter den Kurden hat sich die Stimmung beruhigt. Doch noch ist das Thema nicht abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Verfassungsschutz-Chef Eduard Vermander, der Warnhinweise vernichtet haben soll. Doch Vermander will demnächst aus seinem Amt ausscheiden.