junge Welt, 17.2.2000

Abschiebung - oder Spitzeldienste!

Thüringens Verfassungsschutz wollte kurdische Flüchtlinge zur Mitarbeit zwingen

Kurdische Asylbewerber sollten nach Aussagen Betroffener vom Thüringer Verfassungsschutz mit Erpressungen und Drohungen zu Spitzeldiensten gezwungen werden. Den Kurden sei angedroht worden, sie abzuschieben, wenn sie eine Zusammenarbeit verweigerten, erklärten drei Betroffene am Mittwoch auf einer Pressekonferenz der PDS- Landtagsfraktion in Erfurt. Ein Kurde sei damit erpreßt worden, ihn und seine Familie »kaputtzumachen«. Für die Spitzeldienste seien ihnen Geld, Autos und eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland versprochen worden. Alle drei hätten eine Zusammenarbeit verweigert. Einem von ihnen sei daraufhin nach seiner kürzlichen Eheschließung eine Aufenthaltsgenehmigung ohne Begründung verweigert worden.

Die Vorfälle haben sich den Aussagen zufolge seit Oktober vorigen Jahres in Erfurt ereignet. Die Männer hätten sich als Vertreter des Verfassungsschutzes vorgestellt. Nachdem die Asylbewerber eine Zusammenarbeit verweigert hätten, seien sie nicht weiter belästigt worden.

Der Rechtsanwalt Rolf Gössner nannte die Anwerbeversuche des Verfassungsschutzes ungesetzlich. Der Geheimdienst habe die Notsituation der Asylbewerber ausnutzen und sie in eine ausweglose Situation bringen wollen.

Thüringens Verfassungsschutzpräsident Helmut Roewer hatte zuvor bereits bestätigt, zur Ausspähung der verbotenen PKK auch Kurden anzuwerben. Auf derartige Kontakte könne die Behörde nicht verzichten, sagte Roewer. Zugleich trat Roewer Vorwürfen entgegen, die Verfassungsschützer würden bei der Anwerbung auch mit Drohungen arbeiten.

(jW/ADN)