Süddeutsche Zeitung, 16.2.2000

Türkische Panzer-Spielchen

Im Streit über den "Leo 2" setzt sich die Politik gegen das Militär durch

Wenn die Außenpolitik eines befreundeten oder weniger befreundeten Staates undurchsichtig und möglicherweise von innenpolitischen Motiven geleitet ist, bedient sich die Berliner Diplomatensprache des Begriffs "Spielchen". In dieser Lesart treibt zur Zeit also die Türkei Spielchen mit der Bundesregierung, weil im Auswärtigen Amt und im Kanzleramt niemand so recht die letzten Winkelzüge Ankaras in Sachen Panzergeschäft verstehen will. Eine Konsequenz aber hat die deutsche Außenpolitik gezogen: Bundeskanzler Gerhard Schröder hat einen für März geplanten Besuch in der Türkei abgesagt - weil er "keine Spielchen spielen will", wie es hinter vorgehaltener Hand heißt.

In das Panzergeschäft für das türkische Militär war Bewegung gekommen, weil Ankara zuerst eine förmliche Exportgarantie der möglichen Lieferstaaten verlangte, die Forderung wenig später auf eine weniger bindende Zusage der Lieferfirmen herunter stufte. In diesem Sinne bekräftigte der türkische Außenminister Ismail Cem am Dienstag bei einem Besuch in Berlin, dass die Firmen, die sich beteiligen, "zusagen sollen, die Panzer auch zu liefern".

Diese Forderung stößt in Berlin auf Unverständnis, weil die Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt nicht in der Lage ist, ihre Zustimmung für das Panzergeschäft zu signalisieren. Würde Schröder jetzt sein Einverständnis geben, bräche die Koalition auseinander. Könnte er hingegen noch einige Monate warten und auf tatsächliche Verbesserungen in der türkischen Menschenrechtspolitik verweisen, dann stünden die Chancen für eine Zustimmung besser. Im Kanzleramt fragt man sich also, warum die Türkei jetzt Druck macht und eine Entscheidung erzwingt, die nur negativ ausfallen kann.

Die türkische Taktik kann nur mit innenpolitischen Motiven erklärt werden. In Berlin will man zwei widerstreitende Gruppen in der türkischen Innenpolitik ausgemacht haben: Die militärische Fraktion in Ankara würde gerne den technisch besseren deutschen Leopard-Panzer kaufen, müsste sich aber wegen der koalitionspolitischen Spannung in Deutschland gedulden. Die politische Fraktion bevorzugt offenbar den amerikanischen M-1-Abrams, vor allem um die USA stärker in der strategisch wichtigen Grenzlage zum Kaukasus und im Nahen Osten zu binden. Mit der Forderung nach einer Exportgarantie hat die politische Fraktion nun eine Vorentscheidung erzwungen. Der Wunsch der Militärs nach einer Verzögerung wurde ignoriert. Weil das Koalitionsklima in Berlin keine Festlegung zu Gunsten der Leopard-Panzer erlaubt, haben die Amerikaner die besten Chancen für das Geschäft.

Die zweite Erklärung für das türkische Verhalten ist simpler: Ankara könnte auf den geplanten Besuch Schröders spekuliert und sich quasi als Mitbringsel die Panzer-Zusage erhofft haben. Die Strategie wäre aber kurzsichtig gewesen, weil sie die innenpolitischen Zwänge in Deutschland völlig ignorierte. Schröder sagte nun vor dem Hintergrund der verworrenen Gefechtslage seinen Besuch ab. Cem und sein deutscher Kollege Joschka Fischer haben am Dienstag nach eigenem Bekunden gar nicht mehr über die Panzer gesprochen. Das Thema sei Chefsache - und außerdem sind die Interessen klar. "Die Haltung der Bundesregierung hat sich nicht verändert", sagte Fischer knapp.

Stefan Kornelius