Berliner Zeitung, 16.2.2000

Trauer und Wut sind bis heute geblieben

Marlies Emmerich

Ayse Alp und Kamile Kurt sind auch ein Jahr nach dem Sturm auf das israelische Generalkonsulat noch von Wut und Trauer erfüllt. Ayse Alp hat durch die Schüsse der israelischen Wachmänner ihre 18-jährige Tochter Sema verloren, Kamile Kurt ihren 28-jährigen Ehemann Mustafa. Die Eltern von Sema Alp hatten anschließend ihre Tochter unter großen Sicherheitsvorkehrungen in Kurdistan beerdigen lassen. Nach Angaben der Mutter ist die Kleidung der Getöteten den Angehörigen bis heute nicht übergeben worden.

Beide Frauen fühlen sich von deutschen Politikern im Stich gelassen. Keiner habe bisher sein Beileid bekundet, sagt Ayse Alp. Kamile Kurt weint und ergänzt: "Nirgendwo Anteilnahme." Dabei sei Mustafa als Asylbewerber anerkannt worden, habe sieben Jahre lang in Deutschland gearbeitet und Steuern gezahlt. Ein sinnloser Tod? "In der Türkei werden meine zwei Söhne immer wieder verhaftet und geschlagen", sagt Ayse Alp auf diese Frage nur. Selbst das Grab der Tochter soll von der türkischen Regierung zerstört worden sein. Und in Deutschland würden kurdische Demonstrationen behindert. Deshalb müssten die Kurden zusammenstehen. Über die Vorgänge am Konsulat wollen beide nicht weiter sprechen: "Wir waren selbst nicht dabei."

Abdullah C. war dabei. Der 17-Jährige wartet noch auf einen Prozess wegen schweren Landfriedensbruchs. Bei der "spontanen Aktion", wie er selbst sagt, war C. durch drei Schüsse in die Beine verletzt worden. Er hält sich für unschuldig. Wegen der Verletzungen will er aber kein Schmerzensgeld verlangen. Inzwischen unterstützt Abdullah C. "die neue Strategie der PKK", den bewaffneten Kampf in der Türkei zu beenden. Es sei besser, mit Türken in Demokratie und Frieden zu leben.

Als "Sympathisant des kurdischen Kampfes" bezeichnet er sich aber bis heute. Er hofft, dass sein Asylantrag in Deutschland genehmigt wird. Bis dahin will Abdullah C. die Lehre als Fliesenleger abschließen.