Nürnberger Zeitung, 15.2.2000

Kommentar

UN-Sanktionen gegen den Irak blieben ohne Wirkung

Anti-Saddam-Front bricht

Seit mehr als neun Jahren hält die Uno den Irak unter dem Druck ihrer Sanktionspolitik. Das Ergebnis ist aber keineswegs die Schwächung Saddam Husseins, sondern die Verelendung der irakischen Bevölkerung, wie die Zahlen über Unterernährung, Kindersterblichkeit und psychische Probleme junger Menschen zeigen.

Der Diktator selbst erfreut sich dagegen bester Gesundheit, lässt Paläste bauen und hält auch seine Elitetruppen mit Sondervergünstigungen bei Laune. Zugleich bastelt der starke Mann in Bagdad angeblich weiter an Massenvernichtungswaffen. Alle UN-Sanktionen, die totale Luftüberwachung durch amerikanische und britische Flugzeuge und auch deren permanente Angriffe, haben diese Entwicklung nicht verhindern können.

Hans von Sponeck, deutscher UN-Hilfskoordinator im Irak, wollte die von ihm kritisierte Politik der Weltorganisation nicht länger mittragen und bat UN-Generalsekretär Kofi Annan um seine Ablösung. Hauptgrund für sein Weggehen, so Sponeck zu Journalisten, sei, dass er mit der UN-Resolution vom 17. Dezember vergangenen Jahres "nicht zurechtkomme". Sie beinhalte keinen verbindlichen Zeitplan für die Aufhebung der Sanktionen, und es sei unverantwortlich, das irakische Volk weiter leiden zu lassen.

Von Sponeck will die Aufhebung der Sanktionen von der Problematik der Waffeninspektionen trennen. Mit dieser Haltung ist er wie schon sein Vorgänger, der Ire Denis Halliday, in Washington und London auf scharfen Widerspruch gestoßen. Dort sieht man in den Sanktionen ein effektives Druckmittel gegen Sad dam. Worauf sich diese Überzeugung gründet, bleibt allerdings unersichtlich. Die Lage hat sich im Gegenteil verschlechtert, da der Iraker seit dem Scheitern der Waffeninspektionen im Juni 1997 weitgehend unkontrolliert aufrüsten kann - ein Zustand, der nur durch einen erneuten Waffengang beendet werden könnte. Daran ist derzeit aber gar nicht zu denken.

Für eine Aufhebung der Sanktionen zumindest im humanitären Bereich spräche dagegen sehr viel: vorrangig die schnelle Beendigung des Leidens der Menschen, gleichzeitig aber auch die Möglichkeit, auf diese Weise zwischenstaatliche Verhärtungen aufzubrechen und so indirekt auch Einfluss auf die Politik nehmen zu können.

Aus durchsichtigen Motiven versuchen Russland, China, aber auch Frankreich seit langem und ohne Erfolg, den Irak-Boykott zu beenden. Das könnte sich bald ändern. Wie am Rande der amerikanisch-israelisch-syrischen Nahost-Verhandlungen in den USA zu hören war, informierte Israels Premier Ehud Barak den US-Präsidenten von seiner Absicht, Geheimgespräche mit dem Irak aufzunehmen. Barak hat dafür zwei Gründe: Er hält den Iran nach wie vor für den gefährlicheren Gegner, und er glaubt, über Verhandlungen mit Saddam gleichzeitig auch Druck auf dessen anderen Intimfeind, Hafis Assad, ausüben und so die Friedensverhandlungen mit Syrien beschleunigen zu können.

In die verhärteten Fronten im Nahen und Mittleren Osten ist Bewegung gekommen - Nutznießer davon könnten auch die hungernden Menschen im Irak sein.

DIETHARD PRELL