junge Welt, 12.2.2000

Boykottiert Bayerns Landesregierung Ausländer-Einbürgerung?

jW sprach mit Udo Wieschebrink, Referent für Asyl-, Flüchtlings- und Migrationspolitik der Grünen im bayrischen Landtag

F: Die Ausländerbeauftragte Marieluise Beck hat Bayern vorgeworfen, durch überhöhte Anforderungen beim Nachweis der deutschen Sprachkenntnisse die Einbürgerung von Ausländern bewußt zu erschweren. Die Landesregierung betreibe »Obstruktionspolitik« gegen das neue Staatsbürgerschaftsrecht. Teilen Sie diese Kritik?

Da hat sie völlig recht. Es gibt dazu übrigens vom bayrischen Innenministerium eine Presseerklärung. Da ist das ganz detailliert ausgeführt, welche Kritik sie am Bundesinnenminister üben. Das geht in erster Linie um den Sprachtest. Die Linie der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung ist ja klar. Die Einbürgerungsbewerber sollen sich ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben mündlich in deutscher Sprache verständigen können. Das ist der Standard. Der reicht denen hier aber nicht. In Bayern wollen sie ein standardisiertes Verfahren nach landeseinheitlichen Maßstäben, eine richtige Deutschprüfung, einen Sprachtest.

Außerdem stellt man hier vor der Einbürgerung eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz, um die Verfassungstreue zu überprüfen. Das ist in den meisten anderen Bundesländern unüblich.

F: Bayern besteht auf einem Deutsch-Zertifikat, was nach Ansicht Becks selbst für deutsche Hauptschüler schwer zu schaffen wäre.

Ja. Die Strategie von Bayern ist, den Versuch einer bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschrift zu kippen. Hier gilt die bayrische Verwaltungsvorschrift seit dem 1. Januar. Die erschweren auf Staatssekretärsebene die Einbürgerung mit Zusatzanträgen, unter anderem mit diesem Sprachtest. Da machen die rot-grün regierten Länder im Bundesrat nicht mit. Sie werden die neuerlichen Vorschläge Bayerns nicht akzeptieren und insbesondere dem verschärften Sprachtest nicht zustimmen. Mit diesem Kalkül wird Bayern die angestrebten bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften zum Staatsangehörigkeitsrecht kippen. Das ist die Absicht von Innenminister Günther Beckstein.

F: Ist Bayern das einzige Bundesland, das auf diesem schweren Deutschtest besteht?

Es gibt noch ein anderes Bundesland, und zwar Baden- Württemberg.

F: Die Einstellung von Bayerns Regierung zum neuen Staatsbürgerschaftsrecht war ja von vornherein ablehnend.

Ja, sowieso. Diese Geschichte mit den Infotischen, den Unterschriftensammlungen, die vor der Verabschiedung des neuen Staatsbürgerschaftsrechtes im letzten Jahr lief, sagt doch alles. Die Linie hier in Bayern ist völlig klar. Offiziell heißt sie: »Integration fördern, Zuzug begrenzen«. Meines Erachtens heißt das im Klartext: »Integration begrenzen, Zuzug verhindern«. Die sogenannte Altfallregelung, die auf der Innenministerkonferenz am 19. November 1999 beschlossen wurde, ist in Bayern so verändert und deformiert worden, daß es bisher nur 60 Fälle gab im ganzen Land. Da sind dauernd Weisungen an die Ausländerämter gegangen, die das immer enger machen, so daß kaum noch Flüchtlinge mit langjährigem Aufenthalt unter die Altfallregelung fallen. Das ist die Absicht.

Letzte Woche hat auch Staatssekretär Regensburger, sozusagen die rechte Hand vom rechten Innenminister Beckstein, gesagt, daß Bayern von Anfang an keine neue Altfallregelung wollte. Die bayrische Linie ist klar auf Abgrenzung gerichtet. Es ist eigentlich Haider-Politik in Bayern. Es kommt nur ein bißchen anders - nicht so grobschlächtig.

F: Die Grünen sind mit ihren 14 Sitzen im bayrischen Landtag leicht zu übersehen. Können sie ihre Position überhaupt einbringen?

Von den insgesamt 204 Abgeordneten sind nur 13 - einer ist gerade abgesprungen - grün. Die CSU hat 123 Sitze. Da werden wir natürlich überstimmt. Die Opposition ist zahlenmäßig schwach, dafür hat sie starke Argumente. Wir sind sehr froh über das neue Staatsbürgerschaftsrecht. Das ist ein rot-grünes Ei, was da gelegt wurde. Das ist gut, aber natürlich wurde es durch die SPD auch sehr verändert. Die ursprüngliche grüne Position war wesentlich liberaler.

Interview: Fanny Komaritzan