Frankfurter Neue Presse, 12.2.2000

Sicherheitsrisiko Bereitschaftspolizei

Truppe erneut unter Verdacht

Von Georg Haupt

Frankfurt. Für so manchen Revierbeamten "putzen die doch den ganzen Tag nur Autos". Andere sprechen wegen des jugendlichen Alters der dort erste praktische Erfahrung sammelnden Berufsanfänger verächtlich von "Küken". Hohes Ansehen genießen die rund 1500 hessischen Bereitschaftpolizisten unter ihren Kollegen im Land tatsächlich nicht, doch jetzt scheint auch der letzte Rest des guten Rufs gefährdet. Erneut ist nämlich eine Gruppe von Bereitschaftspolizisten in Verdacht geraten, es mit den Gesetzen nicht so genau zu nehmen, über deren Einhaltung sie eigentlich wachen sollen.

März 1996: Anlässlich des kurdischen Neujahrsfestes rotten sich in Gießen etwa 150 Kurden zu einer ungenehmigten Demonstration zusammen. Direkt dabei ist eine so genannte "Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit" (BFE) der Bereitschaftpolizei aus dem nahe gelegenen Lich. Es kommt zu einer Konfrontation, zu Prügelszenen und anschließenden gegenseitigen Beschuldigungen, die Auseinandersetzungen provoziert zu haben.

Die Justiz beginnt, die insgesamt 189 Festnahmen abzuarbeiten. Im Verlauf der Ermittlungen und Prozesse ergeben sich dann Ungereimtheiten in den Aussagen von Beamten. Eine Skandallawine entwickelt sich. Als Haupttäter wird der 34-jährige B. ausgemacht, der den jungen Kollegen seiner BFE-Truppe Anweisung gegeben haben soll, wahrheitswidrig von Steinwürfen der Demonstranten zu berichten. Eine Polizistin gestand, auf Anweisung Videobänder des Polizeieinsatzes gefälscht zu haben.

Gero Kolter, Leiter der hessischen Bereitschaftspolizei, will pauschale Vorwürfe gegen seine Schützlinge nicht gelten lassen, räumt jedoch ein, dass sich in den "geschlossenen Einsatzteams" der polizeilichen Rufbereitschaft eigene gruppendynamische Effekte abspielten. Im Fall Lich sei die Truppe in Ordnung gewesen, allerdings habe die Führung wohl versagt.

Nicht nur die Führung war an einem weiteren Beispiel für die kriminellen Anfälligkeiten von Bereitschaftspolizisten im Herbst des Jahres 1996 beteiligt. Da spielten vier Beamte aus Mühlheim die unrühmliche Hauptrolle bei einer Drogenfahndung auf der Konstablerwache in Frankfurt.

Ein Algerier, beim Wegwerfen einer Haschischzigarette erwischt, wurde in einem Polizeiwagen schwer misshandelt. Erst gab es Schläge, dann wurde seine Kleidung in Brand gesetzt und am Schluss hielt ihm Marcel S. den Lauf seiner Dienstpistole in den Mund. Mit Entsetzen verfolgte die Öffentlichkeit den Prozess, in dem die Beamten zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt werden. Nachdem sie bei der Polizei gekündigt hatten, erreichten sie im Berufungsverfahren wenigsten eine Strafaussetzung zur Bewährung.

"Wir gehen hart gegen alle schwarzen Schafe vor", versichert Bereitschaftspolizei-Leiter Kolter. Das gelte übrigens nicht nur für Straftäter. Auch bei Mobbing oder dem Grabschen nach Kolleginnen seien die Sünder "mit viel Tamtam, damit es auch alle mitkriegen" aus dem Polizeidienst verabschiedet worden.

Im gerade aktuellen Fall aus Lich sind jetzt sogar zwei Staatsanwaltschaften an der Arbeit. Die Gießener Anklagebehörde kümmert sich um die Falschaussagen und andere Vertuschungsversuche der Einsatzgruppen-Mitglieder, während in Frankfurt die Verfehlungen des Haupttäters zusammengestellt werden. Bisher ergab sich ein stattliches Sündenregister: Der Polizeihauptkommissar steht im Verdacht, schon vorher im Rahmen seiner Ermittlungen tätlich geworden zu sein: 1995 gegen einen Fußball-Fan in Offenbach, 1996 in Frankfurt gegen einen Rauschgiftsüchtigen und 1997 gegen Demonstranten in Gorleben.