Stuttgarter Zeitung, 12.2.2000

In der Falle

Panzer für die Türkei

Auf die rot-grüne Koalition in Berlin kommt eine unangenehme Entscheidung zu. Die Türkei drängelt offenbar auf die Lieferung von 1000 Leopard-II-Panzern. Ankara möchte Gewissheit darüber, dass es die gewünschten Panzer auch erhält, wenn es diese in Deutschland bestellt. Es ist nur zu verständlich, dass die Türkei es sich selbst ersparen will, womöglich erst hofiert und anschließend düpiert zu werden. Auf dem EU-Gipfel in Helsinki ist das Land zum EU-Beitrittskandidaten ernannt worden. Die deutsche Bundesregierung hat auf diesen Beschluss gedrungen. Kann dieselbe Bundesregierung anschließend der Türkei einen Testpanzer zur Verfügung stellen und dann, wenn es ernst wird, ätsch sagen? Der Panzerverkauf wäre ein Milliardengeschäft für die deutsche Rüstungsindustrie. Es geht um tausende Arbeitsplätze. Und wie es der Zufall will, stellt die kurdische Befreiungsorganisation PKK jetzt endgültig und glaubhaft ihren bewaffneten Kampf gegen die Türkei ein. Sie will künftig nicht mehr für Kurdistan kämpfen, sondern sich stattdessen gemeinsam mit Türken für einen demokratischen Staat einsetzen. Die Sorge, die deutschen Panzer könnten gegen Kurden eingesetzt werden, ist unbegründet. Trotzdem behaupten grüne Politiker, die Türkei sei in Sachen Menschenrechte und Demokratie weit davon entfernt, die Kriterien für den Waffenexport zu erfüllen. Das Waffengeschäft wird eine Nagelprobe für die internationale Glaubwürdigkeit der Regierung Schröder. Zum Tschetschenienkrieg Russlands schweigen, Österreich isolieren, die Türkei erst zum EU-Kandidaten ernennen, einen Panzer liefern, dann aber die Ware verweigern. Worin liegt die Vernunft dieser Politik?

Von Adrian Zielcke