Die Presse (Wien), 11.2.2000

Heftige Kritik an Blix - "willfähriges Instrument der Bagdader Führung"

Der neue Abrüstungschef für den Irak ist in seiner Heimat Schweden mit schweren Vorwürfen konfrontiert.

Von unserem Korrespondenten HANNES GAMILLSCHEG

KOPENHAGEN/STOCKHOLM. Um Hans Blix, den schwedischen Chef der UN-Waffenkontrolleure in Irak, ist in seiner Heimat eine Polemik entbrannt. Seine Kritiker werfen ihm vor, daß er schon früher die irakische Hochrüstung "übersah und ein willfähriges Instrument der Bagdader Führung" sei. Der 71jährige Blix wurde vom UN-Sicherheitsrat nach langer Kompromißsuche zum Leiter der Irak-Inspektion (Unmovic) bestellt, nachdem zuvor der Versuch Washingtons gescheitert war, den von 1991 bis 1997 im Irak tätigen Schweden Rolf Ekeus wieder einzusetzen. Ekeus war für den irakischen Präsidenten Saddam Hussein unannehmbar und wurde im Sicherheitsrat von China, Rußland und Frankreich abgelehnt. Auf Vorschlag Frankreichs wurde schließlich Ekeus' Landsmann Blix gewählt.

Feigheit und Naivität

Doch während Ekeus als kompromißlos galt, wird Blix Feigheit und Naivität vorgeworfen. Dessen ehemaliger Parteichef, der liberale Ex-Vizepremier Per Ahlmark, führt die Polemik an. Er bezeichnete Blix als den "gefährlichsten Diplomaten der freien Welt", da er den Weg für ein gewaltiges irakisches Arsenal von nuklearen, biologischen und chemischen Waffen bahnen könne. Der Jurist Blix, zuvor Beamter im Außenministerium, hatte in Schweden Ende der siebziger Jahre kurzfristig politisch Karriere gemacht, als er 1978 wenige Monate Außenminister einer liberalen Minderheitsregierung war und vor der Volksabstimmung über die Atomkraft 1980 eine Kompromißlinie verfocht. Ein Jahr später ging er nach Wien, wo er 16 Jahre lang die Atomenergiebehörde IAEO leitete. Dort wurde er zum überzeugten Anhänger der Kernenergie und ließ sich in seinem Glauben auch durch das Tschernobyl-Unglück nicht erschüttern. Für ihn war der Super-GAU ein nicht sonderlich ernster Zwischenfall. Gutgläubig war Blix auch, wenn es galt, atomare Rüstungsprogramme aufzudecken. Trotz zahlreicher Warnungen von Experten habe er in den 80er Jahren Iraks versteckte Waffenproduktion übersehen, meint Ahlmark: "Blix hegte keinen Verdacht, inspizierte die Gebäude, die Saddams Handlanger ausgewählt hatten und nickte vertrauensvoll zu all ihren Lügen." Blix räumt ein, daß die IAEO-Kontrollmechanismen damals unzureichend gewesen seien. Doch Ahlmark wirft ihm vor, daß er selbst nach dem Golfkrieg noch Bagdads Versprechen glaubte. Man müsse offiziellen Angaben trauen, habe Blix seine Mitarbeiter belehrt, die auf eigene Faust ermitteln wollten. Die damalige UN-Waffeninspektionsgruppe Unscom sah die IAEO als "weiche Schwester" an. "Unscom hatte Leute, die harte Auseinandersetzungen mit den Irakern wünschten, die IAEO wollte lieber durch Dialog zu Resultaten kommen", sagt John Ritch, der US-Botschafter bei der Atombehörde.

"UN-Vertrauen wichtiger"

Blix, den der neue Auftrag im Ruhestand während einer Antarktis-Reise ereilte, verweist darauf, daß die IAEO ihre Kontrollmethoden so verbessert habe, daß es gelungen sei, Nordkoreas Atomwaffenprogramm aufzudecken. "Auch im Irak sind wir beim Aufspüren und Zerstören der Atomwaffenkapazität weiter als bei chemischen und biologischen Waffen." Ihm sei wichtiger, "das Vertrauen des UN-Sicherheitsrates zu haben als das von Ahlmark", fügte Blix an. Ahlmark behauptet, daß Saddam Hussein durch die Bagdad-Freunde Rußland und Frankreich die Wahl seines "Günstlings" Blix eingefädelt habe. Wenn Saddam nun dennoch die Zusammenarbeit mit den Waffeninspektoren verweigere, sei dies Teil eines Machtkampfs.