Die Welt, 11.2.2000

Koalition droht neuer Streit um Panzerlieferung

Türkei fordert vor deutschem Staatsbesuch Liefergarantie für Leopard II - Schröder in Bedrängnis

Von Hans-Jürgen Leersch

Berlin - Der Wunsch der Türkei nach einer frühzeitigen Liefergarantie für 1000 deutsche Kampfpanzer des Typs Leopard II hat in Bundesregierung und SPD-Bundestagsfraktion Unruhe und Besorgnis wegen einer neuen Koalitionskrise mit den Grünen ausgelöst. Die Grünen lehnen das Panzergeschäft strikt ab. Die gegen die Grünen im Bundessicherheitsrat beschlossene Lieferung eines Testpanzers an die Türkei hatte im Oktober zu schweren Auseinandersetzungen zwischen beiden Koalitionsparteien geführt.

In Bedrängnis gerät die Koalition wegen eines taktischen Winkelzuges der türkischen Seite: Die Regierung in Ankara verlangt von dem deutschen Leopard-Hersteller Krauss-Maffei-Wegmann eine frühzeitige Exportgarantie schon vor der Entscheidung, welches Rüstungsunternehmen den Zuschlag erhält. Um das Panzergeschäft bewerben sich neben Krauss-Maffei auch Hersteller aus den USA, Italien, Frankreich und der Ukraine. Krauss-Maffei kündigte an, kurzfristig einen Antrag beim Wirtschaftsministerium zu stellen, über den der Bundessicherheitsrat dann zu entscheiden hätte.

Der Antrag bringt Kanzler Schröder in Schwierigkeiten, weil das Panzergeschäft dann beherrschendes Thema seines für Anfang März geplanten Staatsbesuchs in der Türkei werden dürfte. Dennoch empfehlen führende SPD-Verteidigungspolitiker, mit einer Entscheidung im Bundessicherheitsrat zu warten, bis die türkische Bestellung für die 1000 Panzer vorliegt: "Im Voraus das zu machen, ist absolut unüblich", sagte der SPD-Verteidigungspolitiker Peter Zumkley am Donnerstag zur WELT. Erst wenn die Bestellung komme, werde aufgrund der geltenden Gesetze und der neuen Exportrichtlinien der Regierung entschieden. "Ich halte nichts davon, in die Zukunft hinein zu entscheiden", sagte Zumkley.

Der SPD-Verteidigungsexperte Reinhold Robbe sprach sich grundsätzlich für das Rüstungsgeschäft aus. "Die Türkei ist nicht irgendein Land, sondern Mitglied der Nato." Der Wunsch der Türkei nach Panzern biete die große Chance, dass man sich über die Verbesserung der Menschenrechte unterhalte. Eine mögliche Lieferung könne mit türkischen Zusagen für eine Verbesserung der Menschenrechtslage in der Türkei verknüpft werden. Robbe schränkte aber ein, der Antrag nach einer Liefergarantie komme ihm zu früh. Zum Widerstand der Grünen sagte Robbe, es gehe "in den seltensten Fällen nach der reinen Lehre".

Die CDU/CSU rechnet mit einem erneuten Ausbrechen des rot-grünen Panzerstreits. Der CDU-Wehrexperte Paul Breuer sagte der WELT, "der künstliche und öffentlich zelebrierte Burgfriede zwischen Rot-Grün hat nur wenige Wochen gehalten". Er gehe davon aus, dass Schröder und Verteidigungsminister Rudolf Scharping für die Lieferung seien. Breuer befürwortete das Panzergeschäft mit dem Hinweis, es liege im deutschen Interesse, dass die Türkei militärisch hinreichend gerüstet wird: "Sie liegt in einem unruhigen und instabilen Umfeld und ist deshalb gezwungen, ihre Verteidigungsfähigkeit zu erhalten." Zu Befürchtungen, die Türkei könne den Leopard gegen die kurdische Minderheit einsetzen, sagte Breuer, dieser schwere Kampfpanzer sei nicht für einen Einsatz im bergigen Kurdengebiet geeignet.

Unterdessen kritisierte die Rüstungsindustrie die Verschärfung der Rüstungsexportrichtlinien. "Das ist ein Alleingang Deutschlands und gefährdet damit die europäische Kooperationsfähigkeit der deutschen Verteidigungsindustrie", sagte der Präsident des Bundesverbandes der Luft- und Raumfahrt, Gustav Humbert. Nach Humberts Angaben steht auch wegen der Kürzungen im Verteidigungshaushalt die Überlebensfähigkeit der wehrtechnischen Industrie auf dem Spiel. Es drohe ein Verlust von technologischen Kernfähigkeiten.

Der Bundesverband der deutschen Luft- und Raumfahrt- industrie im Internet: http://www.bdli.de