Die Welt, 10.2.2000

Deutlich weniger Menschen beantragen Asyl

Gegenüber dem Vorjahr ging die Zahl der Bewerber um 19,4 Prozent zurück - Zahl der Ausländer konstant

Von Wulf Schmiese

Berlin - Deutschland hat deutlich weniger Asylbewerber als vor einem Jahr. Im Januar beantragten 6618 Menschen Asyl, das sind 19,4 Prozent weniger als im Januar 1999. Auch im Vergleich zum Dezember 1999 ging die Zahl um 6,7 Prozent zurück, wie das Bundesinnenministerium mitteilte.

Nahezu die Hälfte aller Menschen, die im Januar dieses Jahres Asyl beantragten, stammen aus Asien. Mehr als ein Drittel aller Asylbewerber kommen aus den Staaten Südost- und Osteuropas, darunter auch die Türkei und die europäischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Die Anzahl der Jugoslawen stieg seit Dezember um 3,8 Prozent. Anerkannt wurden bisher nur 2,4 Prozent aller im Januar gestellten Anträge.

Seit zehn Jahren konstant ist dagegen die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer. Ende 1999 lebten 7,34 Millionen Menschen ohne deutschen Pass. Dies entspricht einem Anteil von 8,9 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Die Hälfte lebt bereits seit mehr als zehn Jahren in Deutschland, 30 Prozent seit mindestens 20 Jahren. Mehr als ein Fünftel der Ausländer sind in Deutschland geboren.

Dies sind die neuesten Zahlen aus dem Bericht der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, der alle zwei Jahre erstellt wird. Die Ausländerbeauftragte der rot-grünen Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), stellte ihn zum ersten Mal vor.

Danach ist knapp jeder dritte Ausländer Türke. 2,11 Millionen Türken leben in Deutschland. Keine andere Nationalität ist mit mehr als einer Millionen Angehörigen vertreten. Die nächstgrößte Gruppe sind Jugoslawen (9,8 Prozent), gefolgt von Italienern (8,4 Prozent). Jeder vierte Ausländer stammt aus einem Mitgliedsstaat der EU. Frankfurt am Main ist mit über 30 Prozent die Stadt mit dem höchsten Ausländeranteil. In Berlin sind dagegen nur 12,4 Prozent der Einwohner Ausländer. In Ostdeutschland liegt der Anteil bei weit unter drei Prozent.

Die Arbeitslosenquote der Ausländer ist mit 19,6 Prozent noch immer hoch. Beck sagte, die Regierung wolle die bisher "eher verschämten und versteckten" Ansätze zur Integration verbessern. Die Neuregelung des Staatsbürgerschaftsrechts helfe dabei, weil nun deutlich mehr Einbürgerungsanträge gestellt würden.

Beck attackierte die "Obstruktionspolitik" in Bayern, wo die Anforderungen an die Sprachkenntnisse der Antragsteller überhöht seien. Zugleich forderte sie jedoch, dass Integrationsförderung so früh wie möglich beginnen müsse, "etwa durch umfassende Sprach- und Integrationsangebote für alle Neuzuwanderer".

Weil die Zahl älterer Ausländer wachse, müsse auch bei Pflegediensten eine "interkulturelle Kompetenz" entwickelt werden, auch Friedhofsordnungen sollten den "gewandelten Bedürfnissen" angepasst werden.