Frankfurter Rundschau, 9.2.2000

Kommentar

Panzer-Test

Die überraschende Anfrage aus Ankara wird urplötzlich zum Glaubwürdigkeitstest für Rot-Grün

Von Axel Vornbäumen

Es gilt immer noch als eines der originellsten Mittel überhaupt, einem Tieffliegerangriff mit einem Panzer dadurch auszuweichen, dass man links blinkt und rechts abbiegt. Auf diplomatischem Parkett sind derartige Ausweichmanöver bisweilen weitaus diffiziler zu bewältigen. Nun droht also ein schönes Anschauungsstück, wie sich das rot-grüne Berliner Regierungsbündnis der jüngsten Offensive Ankaras entziehen wird, zu ungelegenem Zeitpunkt Farbe bekennen zu müssen. Wenn ihr uns Panzer liefern wollt, fordert die pikierte türkische Regierung ein, dann garantiert uns auch, dass ihr es tut, wenn wir es wollen. So einfach kann Politik sein... ...und so kompliziert. Nur mühsam war es den rot-grünen Partnern gelungen, einen moralisch ansprechenden Pfad durch den Dschungel potenzieller Rüstungsgeschäfte zu schlagen: Wem die Menschenrechte kein Anliegen sind, für den soll künftig der deutsche Waffenexport tabu sein. Die Türkei erfüllt diese strengen Kriterien nicht, das durfte die Regierung in Ankara noch kurz vor Weihnachten aus dem Munde des Bundesverteidigungsministers persönlich erfahren.

Viel Zeit ist seitdem nicht gerade vergangen. Zu wenig jedenfalls, als dass Berlin die hehren Kriterien, die gerade eben erst zu Papier gebracht wurden, um des gigantischen Geschäfts willen verwässern könnte. So wird die überraschende Anfrage aus Ankara urplötzlich zum Glaubwürdigkeitstest der rot-grün formulierten Wertorientierung. Eigentlich ein schöner Test - man braucht dazu nicht einmal einen Panzer.