Kölnische Rundschau, 7.2.2000

Islamist soll Auftraggeber des Mordes am "Emir von Berlin" sein

Der "Kalif" sitzt ab morgen auf der Anklagebank

Hinter einem unscheinbaren Zaun mit Rolltor im Kölner Stadtteil Nippes liegt der "Kalifatsstaat". Hier wurde am 25. März 1999 ein Mann festgenommen, der seinen Bart wie ein iranischer Ayatollah trägt, sich Kalif nennt und von seinen Anhängern wie ein Papst verehrt wird. Ab morgen sitzt er auf der Anklagebank im Düsseldorfer Oberlandesgericht: Muhammed Metin Kaplan, Anführer des totalitär und konspirativ geführten Islamisten-Verbandes "Kalifatsstaat". Die Bundesanwaltschaft wirft Kaplan vor, er habe den Mord an einem Konkurrenten in Auftrag gegeben (siehe Interview).

Bereits jetzt steht fest, dass dem 47-jährigen Kaplan keine Abschiebung in die Türkei droht: Er genießt in Deutschland politisches Asyl, in seiner Heimat droht ihm die Todesstrafe. Mitangeklagt sind seine engsten Berater: Theologe Hasan Basri G. (34 Jahre) und der 27-jährige Student Harun A.

Rund um den "Staatsschutz-Bunker", in dem das Gericht tagt, werden Sicherheitsregeln gelten wie sonst nur bei RAF- oder Mafia-Prozessen. Der Fall ist kompliziert. Hintergrund ist ein Machtkampf in der rund 1100 Mitglieder starken Organisation, die nur ein Ziel verfolgt: Sturz des laizistischen Systems in der Türkei und Weltherrschaft eines islamistischen Gottesstaats. Bei diesem "heiligen Krieg" sind laut der Propaganda der Organisation Gewalttaten bis hin zur Tötung von türkischen Politikern erlaubt.

Kontakte auch zur Terrorgruppe Hisbollah

Nach neuesten Erkenntnissen soll der "Kalifatsstaat" Kontakte zur radikal-islamistischen Terrorgruppe Hisbollah in der Türkei unterhalten haben. Zudem plante die Kaplan-Gruppe Anschläge: Vor einigen Jahren konnte nur in letzter Minute ein Selbstmordattentat auf das Atatürk-Mausoleum in Ankara, Symbol des laizistischen Staats, vereitelt werden.

Der Machtkampf im Kalifatsstaat brach 1995 mit dem Tod des "Khomeini von Köln" aus: Cemaleddin Kaplan, der Vater des Hauptangeklagten, hatte bis dahin die Gruppierung geleitet. Sein Sohn Metin beanspruchte die Führung, war aber umstritten. Dann beanspruchte ein anderes Mitglied, der "Emir von Berlin", Halil Ibrahim Sofu, den Kalifen-Titel für sich. Wiederholt verkündete Metin Kaplan die für seine Gefolgsleute verbindliche islamische Todesdrohung (Fatwa) gegen Sofu. Hintergrund der Auseinandersetzung war laut Bundesanwaltschaft zudem Streit um Geld: Je mehr Anhänger Kaplan an den Konkurrenten verlor, desto spärlicher sprudelten die Einnahmen in Form von Spenden und Mitgliedsbeiträgen, die wie Steuern an den Kalifatsstaat zu entrichten sind.

Am 8. Mai 1997 wurde die Fatwa vollstreckt. Drei maskierte Männer drangen gegen Mitternacht in die Wohnung von Sofu im Berliner Stadtteil Wedding ein. Vor den Augen seiner Frau und den beiden Kindern wurde der Konkurrent mit zehn Schüssen brutal ermordet. Die Täter sind bis heute nicht gefasst.mgr