Neue Zürcher Zeitung, 07.02.2000

Die Ägäis soll ein Meer des Friedens werden

Griechenlands Premier Simitis reist bald nach Ankara

H. G. Athen, 6. Februar

Der türkische Aussenminister Ismail Cem hat am Wochenende seinen dreitägigen Besuch in Griechenland mit einem klaren Bekenntnis zur neuen Freundschaft zwischen den Erbfeinden Ankara und Athen beendet. Vor einer von Samstag auf Sonntag im historischen Palis der Olympischen Spiele von 1896 in der griechischen Hauptstadt veranstalteten Begegnung von Journalisten beider Länder sprach Cem von Umwandlung des bisherigen Zankapfels Ägäis in ein Meer des Friedens. Türken und Griechen bildeten ein und dieselbe Familie, seien aufeinander angelegt und angewiesen. Es liege jedoch in ihrer Hand, diese familiäre Beziehung herzlich statt wie bisher frostig oder gar feindselig zu gestalten.

Bei der dornigen Zypernfrage handle es sich zwar eigentlich nicht um ein bilaterales, sondern einerseits um ein innerzypriotisches und andererseits um ein internationales Problem. Abschliessend erneuerte Cem die Einladung von Griechenlands Premier Kostas Simitis nach Ankara. Diese war schon im Januar bei der griechischen Aussenministervisite in der Türkei ausgesprochen worden. Damals hatte sie der Athener Regierungssprecher jedoch als «verfrüht» bezeichnet. Jetzt wird in Kreisen von Griechenlands sozialdemokratischer Regierungspartei Pasok damit gerechnet, dass Simitis nach den Neuwahlen am 9. April rasch in die Türkei reisen und damit den bisherigen Dialog der Aussenminister auf die Ebene der Regierungschefs heben wird. Die vom kommenden Herbst auf das Frühjahr vorgezogenen Parlamentswahlen sollen Simitis einen erneuerten vierjährigen Regierungsauftrag nicht nur auf den Weg Griechenlands in die Europäische Währungsunion, sondern auch für das Versöhnungswerk mit der Türkei geben.

Muslimische oder türkische Minderheit? Ankaras Aussenminister äusserte sich zufrieden mit den Verbesserungen für die alte osmanische Minderheit im heute griechischen Thrazien. Bisher hatte die Türkei regelmässig auf Diskriminierung und Schikanierung dieser rund 100 000 Bürger islamischen Glaubens hingewiesen. Cem sprach nun von einer «türkischen Minorität», während sie im Lausanner Frieden 1923 als «muslimische Minderheit» definiert wurde. Griechenlands Aussenminister Georgios Papandreou spielte aber in seiner Antwort die Frage herunter, ob es sich nun in erster Linie um Muslime oder um Türken, südslawische Pomaken und Zigeuner handle: «Entscheidend ist, dass sich diese zunehmend als Bürger Europas fühlen.» Auch sonst schwelle ein günstiger Wind dem Schiff der griechisch-türkischen Aussöhnung die Segel. Als Papandreou dann mit seinem Gast aus der Türkei zum Abschluss von dessen Besuch einen Ölbaum auf der Athener Akropolis pflanzte, meinte er zuversichtlich: «Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Mag dieser auch noch kilometerweit mit Schwierigkeiten gepflastert sein!»