Tages-Anzeiger (CH), 4.2.2000

Kleine Schritte

Eine Reihe von bilateralen Verträgen soll das Verhältnis zwischen Griechenland und der Türkei entspannen.

Von Christian Gonsa, Athen

"Historische" Besuche hüben wie drüben: Mitte Januar hat Giorgos Papandreou als erster griechischer Aussenminister seit 38 Jahren offiziell den Nato-Partner Türkei besucht. Jetzt findet die Gegenvisite statt. Der türkische Aussenminister Ismail Cem weilt von Donnerstag bis Samstag in Athen.

Der Besuchsreigen war seit letztem Sommer vorbereitet worden. Schritt für Schritt hatten die Diplomaten verschiedene bilaterale Abkommen verhandelt und unterschriftsreif gemacht. Bewusst bleiben die schweren Brocken in den griechisch-türkischen Beziehungen ausgeklammert: Der Zypernkonflikt und die Grenzstreitigkeiten in der Ägäis stehen nicht auf der Tagesordnung. Eine Annäherung, so die beiden Aussenminister, müsse Schritt für Schritt erfolgen.

Eines haben Cem und Papandreou allerdings schon erreicht: Die ungelösten Konflikte blockieren nicht mehr sämtliche zwischenstaatlichen Kontakte. Für andere Länder wären die Vertragswerke Routineangelegenheiten, für die Ägäisstaaten allerdings sind sie ein grosser Schritt zur Normalisierung.

Bereits in Ankara sind Abkommen über Zusammenarbeit im Tourismus, grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizei, Schutz von Investitionen im jeweiligen Nachbarland sowie ein Memorandum über den Umweltschutz abgeschlossen worden. Nun, in Athen, liegen Verträge über wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit, über die Liberalisierung der Schifffahrt, über wirtschaftliche Zusammenarbeit, Kooperation im Bereich Bildung und ein Zollübereinkommen zur Unterzeichnung auf dem Tisch.

Umstrittener Festlandsockel Im Vertragspaket finden sich heikle Punkte wie gegenseitige Hilfe bei der Bekämpfung des Terrorismus, der illegalen Einwanderung oder des Schmuggels. Es ist erst ein Jahr her, seit die Türkei - nach der Verhaftung des Kurdenführers Abdullah Öcalan - Griechenland vorwarf, kurdische Terroristen zu unterstützen. Andererseits läuft ein beträchtlicher Teil der illegalen Einwanderung nach Griechenland über die Türkei.

Ungelöst ist auch die Frage, wie der so genannte Weisenrat - eine gemischte Expertenkommission, welche die bilateralen Probleme diskutiert - wieder belebt werden kann. Athen will in diesem Rat rechtliche Aspekte bezüglich des Festlandsockels am Grund der Ägäis anschneiden, der zwischen den beiden Staaten umstritten ist. Verhandlungen zu diesem Themen werden im Abschlusstext des EU-Gipfels von Helsinki gefordert. Die Türkei hat bislang aber abgewinkt. Noch sind der Normalisierung enge Grenzen gesetzt.