Main Rheiner, 3.2.2000

Nach Flucht aus der Türkei in Abschiebehaft

Kurdischer Familienvater in Wiesbadener Unterkunft verhaftet/Caritas, Schüler und Gemeinden appellieren an Behörde

Im Sommer 1998 wurde Abdulcabbar Akyüz in die Türkei abgeschoben. Der Kurde, Vater von acht Kindern, war 1993 nach Deutschland geflohen, weil er nach eigenen Angaben vom türkischen Militär dazu gezwungen werden sollte, "Dorfschützer" zu werden. Seine Familie, ebenfalls vom Militär in der Heimat unter massiven Druck gesetzt, folgte nach Wiesbaden und wurde bisher nur nicht abgeschoben, weil der Landtag über eine Petition zu befinden hat, die vom Caritasverband, dem FH-Asta und zwei Kirchengemeinden unterstützt worden ist. Monatelang hatte die Familie vom Vater nach dessen Abschiebung nichts gehört. Er war, versichert er in einer eidesstattlichen Erklärung, noch am Flughafen in Istanbul verhaftet und misshandelt worden. Nach mehreren Tagen sei er in die Stadt Midyat gebracht und dort in einer Kaserne festgehalten und unter Folter zu der Falschaussage gezwungen worden, seine beiden ältesten Söhne würden in den Bergen als "Terroristen" kämpfen. In Wirklichkeit leben beide in Wiesbaden. Bis Anfang März, so Akyüz, sei er in einem anderen Gebäude in einer Zelle gefangen gehalten worden, ohne befragt zu werden. Dann habe man ihn in sein Heimatdorf gebracht und erneut verhört. Nachdem der Bruder des Mannes den Behörden versicherte, Akyüz werde als "Dorfschützer" arbeiten, habe man ihn gehen lassen. Akyüz versuchte über Rumänien zu fliehen, wurde erneut verhaftet und in die Türkei geschickt. Vor einer für Dezember anberaumten Gerichtsverhandlung gelang ihm per Schiff über Italien die Flucht nach Deutschland.

Am 3. Januar war er wieder bei seiner Familie in Wiesbaden. Sein Anwalt stellte eine Woche später schriftlich einen so genannten Asylfolgeantrag beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Weder der Anwalt noch Akyüz wussten nach Auskunft des Wiesbadener Flüchtlingsrats, dass er diesen Antrag hätte persönlich stellen müssen. Einen Tag bevor er dies dann am 27. Januar tun wollte, wurde er verhaftet.

Nach Angaben von Winnrich Tischel, Chef der Ausländerbehörde, hatte diese einen anonymen Hinweis auf Akyüz erhalten. Tischel: "Er ist illegal eingereist, deshalb wurde er verhaftet." Der 45-jährige Kurde sitzt nun in Höchst im Gefängnis. Im Januar hatte Akyüz sich beim "Psychosozialen Zentrum für Opfer organisierter Gewalt" in Frankfurt vorgestellt. Eine Therapeutin diagnostizierte eine schwere Traumatisierung und sieht eine "akute Suizidgefahr im Fall der Rückkehr in seine Heimat."

Erst wenn das Bundesamt eine Wiederaufnahme des Asylverfahrens in Erwägung zieht, so Tischel, werde die Ausländerbehörde ihre Haltung überdenken und nicht mehr auf die Abschiebehaft bestehen.

Unterdessen setzen sich außer dem Flüchtlingsrat Schüler der Martin-Niemöller-Schule, die Caritas, die Gemeinde St. Elisabeth und die Kreuzkirchengemeinde für die sofortige Freilassung des Kurden ein. Man will sich außer mit Tischel auch mit Oberbürgermeister Diehl und dem Hessischen Innenministerium in Verbindung setzen.Anke Hollingshaus