ap 02.02.2000 14:30

Bundesanwaltschaft will Rechtsextremisten stärker verfolgen

Nehm will mehr Kompetenzen - «Szene ist gewarnt» - Innere Sicherheit am meisten durch Ausländerextremismus bedroht

Karlsruhe (AP)
Die Bundesanwaltschaft will den Rechtsextremismus stärker verfolgen. Derzeit liefen Gespräche über eine Erweiterung der Zuständigkeit seiner Behörde, sagte Generalbundesanwalt Kay Nehm am Mittwoch in Karlsruhe. So sollte geprüft werden, ob nicht auch Propagandadelikte wie die massenhafte Einschleusung von CDs mit volksverhetzendem Inhalt aus Skandinavien nach Deutschland ein Fall für die Bundesanwaltschaft seien. Trotz einer «gewissen Mäßigung» der Kurdenpartei PKK sieht er die innere Sicherheit in Deutschland aber weiter vor allem durch Ausländerextremismus bedroht.
Nehm sagte, die Entscheidung über eine größere Kompetenz der Bundesanwaltschaft liege bei der Politik. Kurz vor Beginn der Hauptverhandlung gegen fünf Jugendliche, die im August in Eggesin (Mecklenburg-Vorpommern) zwei Vietnamesen aus «blindem Ausländerhass» und «unglaublicher Grausamkeit» fast totgeschlagen hatten, kündigte der Generalbundesanwalt an, er werde auch künftig die Ermittlungen an sich ziehen, wenn Ausländerhass die innere Sicherheit gefährde.
«Die Szene ist gewarnt», sagte er. Die Bundesanwaltschaft kann bislang nur tätig werden, wenn die Opfer als Repräsentanten einer den Tätern verhassten Gruppe angegriffen wurden, ein Klima der Angst geschürt wird und Nachahmungsgefahr besteht. Nach den Brandanschlägen von Mölln und Solingen hatte die Behörde mit den Ermittlungen in Eggesin erstmals einen Fall an sich gezogen, bei dem es keine Toten gab.
Dank der Arbeit von Verfassungsschutz und Ermittlungsbehörden bildeten sich in der rechten Szene kaum noch kriminelle oder terroristische Vereinigungen, sagte der Generalbundesanwalt. Deshalb sei das Eingreifen der Bundesanwaltschaft besonders schwierig.
Fünf Anklagen wegen Völkermord
Die 186 Ermittlungsverfahren und zwölf Anklagen wegen Verstößen gegen die innere Sicherheit richteten sich 1999 vor allem gegen den türkisch-kurdischen Extremismus der DevSol und der PKK. Ungeachtet des «Friedenskurses» der Führung verfüge die kurdische Arbeiterpartei noch immer über ein «enormes Gewaltpotenzial». Bei deutschen Extremisten seien weitere Erfolge bei den Ermittlungen gegen die linken «Revolutionären Zellen» zu erwarten. Wegen Landesverrats wurden 63 Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Nehm bilanzierte, seit 1993 habe seine Behörde 121 Verfahren wegen Völkermordes im früheren Jugoslawien eingeleitet und fünf Anklagen erhoben, hauptsächlich gegen Serben. «Wegen des Völkermordgeschehens im Kosovo sind bislang keine Anzeigen eingegangen.»