yahoo Schweiz, 2.2.2000

Flüchtlingshilfe fordert Aufnahme von Flüchtlingen aus Nordirak

Praxisänderung des BFF als verfrüht bezeichnet

Bern (AP) Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) hat am Dienstag die Praxisänderung des BFF gegenüber Flüchtlingen aus dem Nordirak als verfrüht und nicht angezeigt bezeichnet. Auf Grund der Gegebenheiten könne im Nordirak nicht von innerstaatlichen Fluchtalternativen gesprochen werden.

Das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) gab am vergangenen 8. Oktober eine Änderung der Wegweisungspraxis für Asylsuchende aus dem Nordirak bekannt. Diese sollen kein Asyl mehr erhalten, wenn sie die Möglichkeit einer Flucht in den Nordirak haben. Die einzelnen Fälle sollen aber weiterhin individuell geprüft werden. Die Schweiz habe die Lage in Nordirak neu beurteilt, nachdem Deutschland und die Niederlande, die beiden klassischen Aufnahmeländer für Asylsuchende aus Irak, ihre Wegweisungspraxis geändert hätten.

Die SFH veröffentlichte nun eine eigene Analyse. Die Lage in Nordirak sei nach wie vor von politischer, rechtlicher und wirtschaftlich-sozialer Unsicherheit geprägt. Auch anderthalb Jahre nach dem Washingtoner Abkommen vom September 1998 zwischen den dominierenden Kurdenparteien DPK und PUK bestehe eine Kluft zwischen den beiden Parteien. Ein gemeinsames Regierungs- und Rechtssystem liege unverändert in weiter Ferne. Die Sicherheitslage sei instabil und werde zusätzlich durch die wiederholten türkischen Eingriffe und die erstarkenden islamistischen Gruppierungen belastet. Verschlechtert werde die soziale und wirtschaftliche Lage dadurch, dass aus dem zentralstaatlich kontrollierten Teil Iraks regelmässig Menschen in den Nordirak vertrieben würden. Diese Vertriebenen und Deportierten machten bereits rund einen Drittel der Bevölkerung aus.

Auf Grund der Gegebenheiten kann laut SFH nicht von einer inländischen Fluchtalternative ausgegangen werden. Mangels eines Rückübernahmeabkommens mit der Türkei sowie einer risikoreichen Reiseroute via Jordanien sei der Wegweisungsvollzug zudem weder technisch möglich noch vom Sicherheitsstandpunkt vertretbar. «Die vom Bundesamt für Flüchtlinge vorgenommen Praxisänderung gegenüber Asylsuchenden aus dem Nordirak erachtet die SFH aufgrund ihrer Analsyse als verfrüht und nicht angezeigt», hiess es in der Pressemitteilung. Die Flüchtlingshilfe forderte die Asylbehörden auf, Asyl Suchenden aus der Region und aus Irak bei Erfüllung der Flüchtlingseigenschaft Asyl zu gewähren und bestimmte Personengruppen zumindest vorläufig aufzunehmen.

Im vergangenen Jahr kamen 1.658 Asyl Suchende aus Irak und wurden 269 Gesuche anerkannt; die Anerkennungsquote ereichte 38,8 Prozent. Ein Jahr davor war sie mit 72,9 Prozent noch doppelt so hoch. Damals verlangten 2.041 irakische Staatsangehörige Asyl, vier Mal mehr als 1997.