HANDELSBLATT, 2.2.2000

Brüssel forciert den Beitritt der Türkei

Verheugen und Cem verabreden erste Maßnahmen zur Heranführung Ankaras an die Gemeinschaft

Europakommissar Günter Verheugen, entschiedener Anhänger der EU-Mitgliedschaft Ankaras, drückt aufs Tempo. Wenige Wochen nach der Bestätigung des Beitrittsanspruchs verabredete er mit dem türkischen Außenminister erste Schritte.

wff BRÜSSEL. EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen hat mit dem türkischen Außenminister Ismail Cem einen Fahrplan zur Heranführung Ankaras als Beitrittskandidat an die EU verabredet. Bis zum Herbst soll ebenso wie für die zwölf anderen Kandidaten der Inhalt einer Beitrittspartnerschaft festgelegt werden, sagte Verheugen in einer gemeinsamen Pressekonferenz nach seinem Treffen mit Cem am Dienstag in Brüssel. Die Beitrittspartnerschaften umschreiben die Prioritäten auf dem Weg in die EU.

Verabredet wurde bereits die Teilnahme der Türkei an Programmen und technischen Ausschüssen der EU. Unverzüglich wolle man auch mit den Vorarbeiten zum Abgleich des türkischen Rechts mit dem gesetzlichen Besitzstand der EU (screening) beginnen. Die Arbeiten sollen im Rahmen des Assoziierungsausschusses EU-Türkei im April aufgenommen werden.

Parallel zu der Beitrittspartnerschaft will Verheugen auch den neuen Finanzrahmen für die Unterstützung der Türkei festlegen. Der deutsche Kommissar verwies auf den türkischen Anteil am EU-Mittelmeerprogramm Meda und die derzeit noch im Europäischen Parlament behandelten Finanzverordnungen. Er nannte einen Betrag von 177 Mill. " sowie besondere Fazilitäten von 600 Mill. ".

Cem betonte, trotz der bereits vier Jahre existierenden Zollunion habe die EU ihre finanziellen Verpflichtungen nicht erfüllt. Verheugen stimmte dem zu, verwies aber auf die mehrjährige Blockade im Rat und im Europaparlament. Er hoffe, dass man die Situation jetzt überwinden könne. Aus dem alten Finanzprotokoll standen der Türkei je 750 Mill. " an Haushaltsmitteln und an Darlehen der Europäischen Investitionsbank (EIB) zu.

Beide Politiker zeigten sich mit dem Ergebnis ihrer Gespräche zufrieden. Man habe bei der Umsetzung der Gipfelbeschlüsse von Helsinki einen guten Anfang gemacht, betonte der türkische Außenminister. In Helsinki hatten die Regierungschefs im Dezember Ankara seinen Kandidatenstatus bestätigt.

Positiv bewerteten beide Politiker auch die Verbesserung der Beziehungen zwischen der Türkei und Griechenland. Man habe in letzter Zeit große Fortschritte gemacht, betonte Cem. Sein Land wolle die Verzögerungen, die sich in einem längeren Prozess ergeben hätten, aufholen. Cem verwies auf die bevorstehende Verabschiedung eines Gesetzes zur regionalen und kommunalen Verwaltungsreform. Die Rolle der Militärs in seinem Lande werde überschätzt.