junge Welt, 2.2.2000

Rüstungsexporte jetzt mit rotgrünem Gütesiegel?

jW sprach mit Alexander Kauz (41), Vorsitzender des Rüstungsinformationsbüros Baden-Württemberg (RIB) in Freiburg

Deutschland war 1998 der weltweit viertgrößte Rüstungsexporteur und hat Waffen im Wert von 12,5 Milliarden Mark ausgeführt. Künftig sollen die Menschenrechte bei Exportentscheidungen eine zentrale Rolle spielen. Werden die neuen »Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern«, die die Bundesregierung vor zwei Wochen verabschiedet hatte, der Waffenindustrie Zügel anlegen?

Sollte diese Richtlinie umgesetzt werden, wären nach meiner Einschätzung zwei Drittel aller Rüstungsexporte zu hinterfragen. Das wäre schon ein sehr drastischer Einschnitt. Eine Nagelprobe ist sicherlich die geplante Lieferung der 999 Leopard-2-Panzer in die Türkei. Nach den neuen Richtlinien dürften keinesfalls Waffen in die Türkei oder nach Indonesien exportiert werden. Wie ernst eine Lagebeurteilung von Menschenrechtsorganisationen genommen wird, wird sich zeigen. Wir wissen ja, daß zum Beispiel Verteidigungsminister Rudolf Scharping nicht müde wird, Verbesserungen der Demokratie und der Menschenrechtssituation in der Türkei herbeizureden, weil er Rüstungsgeschäfte mit Ankara möchte.

Ob nun Leopard-2-Panzer, Kriegsschiffe oder Tiger- Helikopter - Waffenlieferungen in Länder wie die Türkei darf es nicht geben. Grundsätzlich lehnen wir natürlich jeden Rüstungsexport ab, egal wohin, doch das ist derzeit politisch nicht durchsetzbar.

F: Erstmals wird eine Endverbleibsklausel eingeführt. Wer Waffen ohne schriftliche Genehmigung der Bundesregierung weiterexportiert oder wissentlich einen solchen Reexport nicht verhindert, muß mit einem Lieferstopp rechnen. Ist das in Ihren Augen ein Fortschritt?

Es ist sicher positiv, daß es überhaupt eine solche Klausel gibt. Doch auch hier bleibt abzuwarten, ob sie in die Praxis umgesetzt wird. Sie mindert natürlich auch die Gewinne der beteiligten Unternehmen, denn der Weiterverkauf ist ein lukratives Geschäft. Sollte ein Staat dagegen verstoßen, haben wir jetzt zumindest eine gesetzliche Grundlage, auf die wir uns berufen können. Ein solcher Verstoß wäre jetzt justitiabel.

F: Wie ist es mit Kooperationsverträgen von deutschen Waffenherstellern mit ausländischen Unternehmen: Da ist künftig Einspruch möglich ...

Auf die laufenden Verträge, etwa beim deutsch- französischen Konsortium zur Produktion des Tiger- Helikopters, haben die neuen Richtlinien keinen Einfluß. Bei neuen Kooperationsverträgen müßten die Partnerländer die Einschränkungen in bezug auf Menschenrechte und Endverbleib mit unterzeichnen und für sich als rechtsgültig erklären. Andernfalls dürfte das Geschäft nicht stattfinden. Da wird es spannend sein zu sehen, inwieweit die Bundesregierung hier die entsprechende Konsequenz und Transparenz an den Tag legt. Wir beobachten, daß gerade die SPD große Probleme hat mit restriktiven Rüstungsexporten und einer Einschränkung des Militärs. Die neue Richtlinie ist natürlich besser als das, was wir haben, doch von einem wünschenswerten Rüstungsexportverbot und einem Ende der Rüstungsproduktion sind wir noch weit entfernt.

F: Rot-Grün befürwortet weltweite Einsätze der Bundeswehr zum militärischem Krisenmanagement unter UNO- und NATO-Mandat. Kann man unter dieser Prämisse überhaupt auf Rüstungsproduktion verzichten?

Sicherlich nicht. Sollten sich Kriege wie gegen Jugoslawien - zum Beispiel in der Kaukasusregion, was nicht unwahrscheinlich ist - wiederholen, dann braucht die Bundeswehr natürlich Waffen, Transportkapazitäten, Munition etc. Das wären in der Tat lukrative Aufträge für die einschlägige Industrie, die trotz schärferer Exportrichtlinien nicht um ihre Zukunft bangen muß.

Interview: Martin Höxtermann